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Bayreuth, 19.04.2024

 

Wenn sich Stress und Umweltgifte addieren

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Die Festlegung von Richt- und Grenzwerten für Immissionen beruht auf der Fragestellung, welche Schädigung eine bestimmte Dosis eines Schadstoffes in einer bestimmten Zeit bei einem Lebewesen verursachen könnte. Werden die Grenzwerte im festgelegten Untersuchungszeitraum eingehalten, dann darf das Produkt in der vorgesehenen Zusammensetzung angewendet werden. Kritiker dieser Art der Grenzwertfestlegung bemängeln, dass die Kombinationswirkung von mehreren Umweltgiften und die Einbeziehung des individuellen Stresslevels nicht berücksichtigt werden. Gerade die additive Wirkung von mehreren Schadstoffen thematisiert nun eine Forschungsarbeit von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ).

Das SAM-Modell untersucht die kombinierte Wirkung von Stressoren auf Populationen

Das UFZ-Team um Prof. Matthias Liess wird verstärkt von Wissenschaftlern der RWTH Aachen, der Universität Koblenz und der Bundeswehruniversität München. Die Forscher entwickelten innerhalb der letzten drei Jahre das Stress-Addition-Modell (SAM), mit dessen Hilfe eine Vorhersage von kombinierten Stressfaktoren auf Populationen von Insekten, Krebsen und Amphibien in wasserführenden Systemen ermöglicht wird. Die oben genannten Populationen unterliegen vielfältigen Stresssituationen, zum Beispiel Wassermangel, Konkurrenzsituation um Nahrung, Befall durch Parasiten, UV-Strahlung oder Eintritt von Umweltgiften wie Pestiziden in den Lebensraum. Jede Größe für sich betrachtet mag unter der Toleranzschwelle liegen. In Kombination können die Stressoren zum Tode von Mitgliedern der Population führen.

Unterschiedlicher Stresslevel bei den Individuen

Die erste Annahme der Forscher beruht auf einer durchschnittlichen Stresskapazität, bei der das Individuum mehrere Arten von Stress aushalten kann. Mitglieder der Population unterhalb dieses Stresslevels sterben, Individuen über dem Mittelwert überleben. Der Stresslevel ist mit einer Skala von 0 bis 1 festgelegt. Bei der additiven Betrachtung von Stressoren zeigten sich folgende Ergebnisse: ein umweltbedingter Stress, z.B. Wassermangel, ergibt 0,25 auf der X-Achse. Dieser Stressfaktor führt zum Tode von 10% der Population. Ein toxischer Effekt, z.B. Pestizide im Wasser, erzeugt auf der Stressskala einen Wert von 0,3. Unter diesem Einfluss sterben 15% der Gesamtheit. Wirken beiden Stressoren zusammen auf die Population ein, zeigt der Skalenwert 0,55 an. Die synergistische Wirkung der Stressoren bewirkt eine Sterberate von 61,6%. Eine pure Addition der Einzelwerte würde nur zu einer Ausfallrate von 25 Prozent führen.

Weiterentwicklung des Modells geplant

Die beteiligten Wissenschaftler wollen das Rechenmodell zur Vorhersage der multiplen Stresseffekte weiterentwickeln. Zum einen sollen alle Kombinationen von Stressfaktoren im bisherigen Untersuchungsgebiet abgedeckt werden und zum anderen wird eine Übertragung der Methode auf terrestrische Systeme und eventuell sogar den Menschen angestrebt.
Hinreichend bekannt ist, dass Menschen beim Zusammentreffen mehrerer Stressoren krank werden können. So wissen Allergologen, dass immungeschwächte Menschen stark gefährdet sind, wenn in der Raumluft bestimmte Schimmelpilzgattungen wie der Aspergillus fumigatus oder der Stachybotrys chartarum anzutreffen sind. Ein allgemein gültiges Rechenmodell wie bei den Wasserlebewesen lässt aber noch auf sich warten.

Links

Umweltstress verstärkt die Wirkung von Schadstoffen
Predicting the synergy of multiple stress effects (Originalartikel in Englisch)






 


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