
Immobilienkäufer sorgen sich wegen der berüchtigten Faser -
Mehrmals pro Woche rufen Immobilienkäufer den Baubiologen Oliver Zenkel an, um Fragen zum Umgang mit alter Bausubstanz zu stellen. In Zeiten von stark gestiegenen Immobilienpreisen richtet sich der Blick verstärkt auf Bestandsbauten aus den sechziger und siebziger Jahren. Das Thema Asbest steht bei den Anrufern ganz oben auf der Liste, denn besonders zwischen 1960 und 1980 hatte dieser Baustoff Hochkonjunktur. Brisant wird die Fragestellung, wenn junge Familien mit Kindern in die Häuser einziehen möchten. Dann sollen bei Renovierungsarbeiten möglichst wenig Fehler gemacht werden. Der Teufel steckt aber auch hier im Detail, da man dem verbauten Material man nicht ohne weiteres ansehen kann, ob Asbestfasern enthalten sind.Warum war Asbest lange ein begehrter Baustoff?
Asbest ist ein natürlich vorkommendes, faseriges Silikat, das wegen seiner Hitze- und Feuerbeständigkeit, den isolierenden Eigenschaften und seiner chemischen Stabilität entweder in Baustoffen oder als Isoliermaterial verwendet wurde. Die griechische Übersetzung von Asbest bedeutet "unauslöschbar" und zeigt schon die Richtung auf: das Material ist hitzebeständig, chemisch sehr stabil, hat eine hohe elektrische und thermische Isolierfähigkeit, weist eine hohe Elastizität und Zugfestigkeit auf und ist wasserunlöslich. Serpentinasbest ist zudem weich und geschmeidig und lässt sich leicht verspinnen. Die genannten technischen Eigenschaften und die günstigen Materialkosten sorgten für einen Boom an unterschiedlichsten Produkten. Im Baubereich werden zwei Hauptgruppen unterschieden: Fest gebundene Produkte mit der Bezeichnung Asbestzement und schwach gebundene Produkte, auch Spritzasbest oder Weichasbest genannt.Podcast "Riskante Asbestfasern" auf youtube anhören
Was macht Asbestfasern so gefährlich?
Das Hauptproblem bei Asbest ist das Verhältnis von Faserlänge zu Faserstärke. Bei einer Faserlänge von größer fünf Mikrometern (µm) und einem Faserdurchmesser von kleiner drei Mikrometern ergibt sich ein Länge-Stärke-Verhältnis von 3:1 oder größer. In diesem Fall kann die Faser tief in die Lunge eindringen. Die oben beschriebene hohen Beständigkeit der Faser führt dazu, dass sie von den körpereigenen Abwehrzellen nicht aufgelöst werden kann und praktisch lebenslang im Gewebe verbleibt. Im Einzelfall kann es mehr als dreißig Jahre dauern, bis Asbest im Gewebe zu Krebs führen kann. So ist es nicht verwunderlich, dass die Bauberufsgenossenschaft im Jahr 2010 noch jährlich tausend Sterbefälle registrierte, die auf Asbest zurückzuführen sind.Hilfe, ich habe versehentlich Asbestplatten geflext – bin ich jetzt akut gefährdet?
Handwerker sollten beim Umgang mit Altlasten hellwach sein und die meisten Baufachleute wissen auch im Umgang mit Asbest gut Bescheid. Dennoch passieren unter Termindruck Fehler und Bauherrn reagieren geradezu panisch, wenn beispielsweise eine Fassadenverkleidung mit der Flex zerschnitten wurde. Der Gefährdungsgrad für die Beteiligten hängt von der freigesetzten Fasermenge ab und diese wirkt innerhalb des Gebäudes schwerwiegender als in der frischen Luft. Zunächst sollten sich Betroffene vergewissern, ob das Material überhaupt Asbestfasern enthält. Bei einem positiven Materialbefund wäre eine ärztliche Untersuchung anzuraten, um abzuklären, ob einzelne Fasern den Weg in die Atmungsorgane gefunden haben.Wie lässt sich Asbest im Baumaterial erkennen?
Asbestfaser sind winzig klein – wie oben beschrieben, nur wenige Mikrometer groß. Mit bloßem Auge ist des Längen-Stärke-Verhältnis nicht zu erkennen. Baubiologen raten deshalb immer zu einer Laboruntersuchung. Unter dem Rasterelektronenmikroskop (REM) wird das Material geprüft. Die REM-Bilder Bilder zeigen im Rasterverfahren die Objektoberfläche des Materials und weisen eine hohe Tiefenschärfe auf. Die Klassifizierung der Fasern erfolgt mit Hilfe der energiedispersiven Röntgenmikroanalyse (EDXA), wobei die Atome des Probenmaterials durch einen Elektronenstrahl einer bestimmten Energie angeregt werden. Die reflektierte Strahlung gibt dann Aufschluss über die Elementzusammensetzung und führt letztlich zur Bestimmung des Asbestfasertyps. Bei positivem Befund erhält der Kunde ein stark vergrößertes Bild der Fasern und das dazugehörige Elementspektrum. Die Vorgehensweise für die Laboruntersuchung und Bewertung von Asbestfasern regelt die VDI-Richtlinie 3866-5.Wo kann ich asbesthaltiges Material entsorgen?
Die Asbestentsorgung ist Sache der Bundesländer, wobei der erste Schritt immer zum zugehörigen Landratsamt oder der kreisfreien Stadt führen sollte. Der Landkreis Bayreuth gibt auf seiner Webseite Hinweise zum Vorgehen. Asbestzement, wie Eternitplatten oder asbesthaltige Blumenkästen, können von Privatpersonen auf der für den Landkreis zuständigen Reststoffdeponie abgegeben werden. Die Anlieferung ist vorher telefonisch anzukündigen und Sicherheitsbestimmungen sind zu beachten. Die Teile sind feucht zu halten, dürfen nicht zerschnitten oder geschliffen werden, sollen nicht mit Hochdruckreinigungsgeräten oder Drahtbürsten bearbeitet werden und dürfen nicht über Schuttrutschen geführt werden. Die Altlasten sind in staubdichten und gekennzeichneten Kunststoffsäcken zu transportieren. Schwach gebundener Asbest, auch als Weichasbest oder Spritzasbest beezeichnet, muss grundsätzlich von einer zugelassenen Fachfirma entsorgt werden. Als Hilfestellung dient für Privatpersonen das Ausschlussverfahren: verdächtiges Baumaterial, außer Fassadenplatten und Blumenkästen, gilt als schwach gebundener Asbest oder sonstiges asbesthaltiges Material.Wie muss der Asbestzement transportiert werden und was kostet die Einlagerung?
Asbesthaltige Abfälle werden von der Deponie im Landkreis Bayreuth nur in reißfesten "Big Bags" mit einem Maximalgewicht von einer Tonne angenommen. Der Transport muss staubfrei erfolgen, deshalb ist das Material ist vor dem Verpacken anzufeuchten oder mit Restfaserbindemittel zu behandeln. Big Bags sind beim örtlichen Wertstoffhof oder beim Dachdeckereinkauf erhältlich. Der Reststoffdeponie im Landkreis Bayreuth berechnet für die Ablagerung von asbesthaltigem Material 200 - 300 Euro je Tonne, abhängig von der Art des Materials (Stand 2025). Weichasbest, wie Asbestputz oder asbesthaltiger Estrich, wird von der Reststoffdeponie nicht angenommen, sondern muss von zertifizierten Abbruchfirmen entsorgt werden.Wie erfolgt die Entsorgung von schwach gebundenem Asbest (Weichasbest)?
Für die Entsorgung von Weichasbest gibt die Asbestrichtlinie wichtige Hinweise. So müssen Sanierungsmaßnahmen vom Beginn der Arbeiten bis zur Entsorgung der Abfälle entsprechend den geltenden Regelungen geplant und ausgeführt werden. Es dürfen nur Firmen beauftragt werden, die mit den Arbeiten, den dabei auftretenden Gefahren und den erforderlichen Schutzmaßnahmen vertraut sind und über die erforderlichen Geräte und Ausrüstungen verfügen. Die Bewertung der Dringlichkeit einer Sanierung erfolgt nach Anhang 1 der Asbestrichtlinie. Anhand eines mehrstufigen Bewertungssystems werden Punkte vergeben, z.B. wird Spritzasbest mit 20 Punkten bewertet, asbesthaltiger Putz nur mit 10 Punkten. Beim Ausbau und Entsorgung von Weichasbest sind die Arbeitsschutzmaßnahmen nach der TRGS 519 (Technische Regel für Gefahrstoffe) zu berücksichtigen. Für die Entsorgung stehen Sondermülldeponien zur Verfügung. So ist für das Bundesland Bayern die Gesellschaft für Sondermüllentsorgung Bayern (GSB) zuständig. Der Abfallschlüssel für asbesthaltige Baustoffe hat die Nummer 170605. Die Kosten müssen individuell kalkuliert werden, da die Entsorgung in mehreren Stufen und unter Einhaltung der Arbeitsschutzrichtlinien erfolgen muss.Welcher Staubsauger ist für die Reinigung von Asbestfasern zugelassen?
Normale Hausstaubsauger sind für die Reinigung von kontaminiertem Material tabu. Die Absaugung muss mit baumustergeprüften Industriestaubsaugern erfolgen, welche die Vorgaben der TRGS 519 einhalten. Es müssen sogenannte H-Sauger verwendet werden, wobei der Buchstabe "H" für hochgefährlich steht. Die Filterleistung der Staubklasse H orientiert sich an einem Arbeitsplatz-Grenzwert von kleiner 0,1 Milligramm je Kubikmeter Luft und weist eine Durchlässigkeit von kleiner 0,005 Prozent auf. Der H-Filter besteht aus Glasfasermatten, die die Abluft reinigen und einen Faserdurchmesser von etwa ein bis zehn Mikrometern haben. Zum sicheren Wechsel ist der Filter in einen Rahmen gefasst. Filter und Rahmen werden zusammen in einem reißfesten Kunststoffbeutel entsorgt. Sauger, die für die Asbestentsorgung ("H-Asbest") zugelassen sind, müssen mit einem Typenschild besonders gekennzeichnet sein.Weitere Informationen
www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/rep0177.pdfwww.lfu.bayern.de/buerger/doc/uw_9_asbest.pdf
www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRGS/pdf/TRGS-519.pdf
www.asbest-akademie.de/start/asbest-richtlinie-neue-asbest-rili-der-l%C3%A4nder/
de.wikipedia.org/wiki/Rasterelektronenmikroskop
www.vdi.de/richtlinien/details/vdi-3866-blatt-5-bestimmung-von-asbest-in-technischen-produkten-rasterelektronenmikroskopisches-verfahren
www.landkreis-bayreuth.de/buergerservice/umwelt-und-abfallwirtschaft/abfallwirtschaft/bau-und-renovierungsabfaelle/asbesthaltige-bau-und-renovierungsabfaelle
www.laga-online.de/
www.laga-online.de/documents/m23_final_juni_2015_1503992494.pdf
www.labo-deutschland.de/Leistungsbuch-Altlasten-und-Flaechenentwicklung.html
www.labo-deutschland.de/Leistungsbuch-Altlasten-und-Flaechenentwicklung-120--Schadstoffkataster,-Gebaeudeschadstoffe-.html
www.labo-deutschland.de/documents/400-200.pdf
www.gesetze-im-internet.de/depv_2009/index.html
idw-online.de/de/news690455 Weshalb ist Asbest so gefährlich