Baubiologie und Oekologie

Gesundes Wohnen und Arbeiten


Bayreuth, 28.03.2024

 

Stroh und Lehm vertragen sich gut

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Architekt Florian Hoppe kennt sich mit beiden Baustoffen aus. Bereits sehr früh baute er eine Beziehung zum Lehm in der Firma seines Vaters auf. Mauern und Verputzen lernte er durch Mitarbeit auf etlichen Baustellen in Thüringen. Durch eine Kooperation verschiedener Firmen konnte man sogar auf heimischen Lehm zurückgreifen. Im Laufe seines Architekturstudiums begeisterte sich Hoppe für den Strohballenbau. Besonders eine Idee aus den Siedlerzeiten in Amerika ließ ihn nicht mehr los: den lasttragenden Strohballen ohne Holzständerbau wollte er auch in Deutschland realisieren. Nach sorgfältiger Vorbereitung und mit Unterstützung seiner Familie konnte er vor zehn Jahren in sein geräumiges Strohhaus einziehen.

Die Entwicklung des Strohbaus begann in Amerika

Die Idee des Strohballenbaus stammt aus Nebraska in den USA. Dort hatten die Siedler in der Zeit um 1900 nicht genügend Bauholz, dafür aber große Getreidefelder. Die ersten lasttragenden Häuser waren eher klein. Das erste zweigeschossige Haus entstand im 1936. In den siebziger Jahren erinnerte man sich in Amerika wieder an den Naturbaustoff. In Europa entstanden die ersten Strohhäuser in den neunziger Jahren. Die Pioniere schlossen sich im Verband Strohballenbau (FASBA) zusammen und erreichten eine bauaufsichtliche Zulassung für den nichttragenden Strohbau. Für die lasttragende Bauweise ist hingegen immer noch eine bauamtliche Einzelzulassung notwendig. In Deutschland sind rund vierhundert Strohhäuser dokumentiert, davon aber nur drei in lasttragender Bauweise.

Die Strohbaurichtlinie ergänzt die anerkannten Regeln der Bautechnik

Im Jahr 2014 veröffentlichte der Fachverband Strohbau erstmals die Strohbaurichtlinie und brachte 2019 eine angepasste Fassung heraus. Diese Richtlinie ergänzt die anerkannten Regeln der Bautechnik. Die Herstellung der Strohballen geschieht mit konventionellen Strohpressen direkt auf dem Feld. Abmessungen bis zu einem Querschnitt von 40 cm auf 50 cm gelten als Kleinballen. Für den lasttragenden Strohbau sind weit größere Querschnitte notwendig. Als größte Herausforderung im Bauprozess gilt, dass das Stroh von der Ernte bis zum Einbau auf jeden Fall trocken bleiben muss. Stroh aus Weizen und Roggen ist am besten geeignet. Den Brandschutz gewährleistet man bereits mit acht Millimeter dickem Lehm- oder Kalkputz. Zur optimalen Wärmedämmung sollten die Halme senkrecht zur Wärmestromrichtung stehen. Deshalb erfolgt der Einbau hochkant stehend oder hochkant liegend. Selbstverständlich muss auch der Strohbau die anerkannten Regeln zum Wärmeschutz einhalten. Deshalb wird ein Blower-Door-Test mit Leckageortung als Nachweis der Ausführungsqualität durchgeführt.

Lasttragender Strohballenbau als besondere Herausforderung

In den FASBA Richtlinien nimmt die lasttragende Bauweise nur einen kleinen Raum ein. Man verweist auf zahlreiche Unsicherheiten und eine notwendige Einzelzulassung für Baugenehmigungen. Florian Hoppe und sein Team haben dieses Risiko nicht gescheut und ein Haus ohne Holzständergerüst errichtet. Die Last tragen in erster Linie Ringbalken aus Holz auf jeder Etage ab. Als Fundament dienen Dielen und Stampflehm auf Glasschotter. Für die Außenwände wurden Großballen mit den Maßen 240 x 120 x 70 verwendet. Die Innenwände bestehen aus Holzständern, Lehmziegeln oder Kalksandsteinen, die Zwischendecken aus Holzbalken mit Strohdämmung. Für den Außenputz nahm Hoppe Kalk und für den Innenputz Lehm. Die Tragfähigkeit von Stroh interessiert mittlerweile auch Wissenschaftler der Bauhaus-Universität und Florian Hoppe ist am Projekt maßgeblich beteiligt. Er wertet Schubversuche an einer 7,20 Meter x 2,70 Meter großen Strohballenwand aus und misst sowohl mit konventionellen Methoden wie Wegaufnehmern oder Tachymetern als auch mit optischen Messmethoden. Hoppe will mithelfen, um verlässliche Daten über den vertikalen und horizontalen Lastabtrag in Wänden aus Strohballen zu gewinnen. Die Ingenieurmodelle mit standardisierten Parametern sollen zukünftig den Planern wertvolle Hilfe leisten und dem Baustoff Stroh mehr Rückenwind verleihen.

Neue Techniken für lasttragende Lehmwände in der Entwicklung

Auch Wände aus Lehm können Lasten abtragen. Bisher funktionierte diese Technik nur mit der arbeitsintensiven Stampflehmbauweise. Seit 2019 experimentiert die Bauhausuniversität in Weimar mit vorgefertigten lastragenden Massivlehmwänden in Lehmtafelbauweise, abgekürzt als LTBw. Vorfertigung kannte man bisher in erster Linie im Betonbau und im Holzbau. Die Forscher zeigen, dass auch Lehmwände rationell und kostengünstig zu erstellen sind. Gebaut werden monolithisch geschichtete Lehmfertigteile mit einem optimalen Tragfähigkeits- und Wärmedurchgangsverhalten. Die Querschnitte sind geringer als beim Stampflehmbau, Schwindverformungen werden vermieden und die Bau- und Trocknungszeiten wesentlich verkürzt. Das Stampfen des Lehms erfolgt maschinell und vollautomatisch. Professor Jürgen Ruth betreut das Forschungsvorhaben an der Bauhausuniversität. Er möchte alle positiven Eigenschaften des massiven Lehmbaus mit einer wirtschaftlichen Bauweise kombinieren, den lasttragenden Lehmbau durch die Verwendung der vorgefertigten Lehmbautafeln fördern und leichter zugänglich machen. Fachplaner sollen für die vorgefertigten Lehmbautafeln Kennwerte an die Hand bekommen. So hilft die Bauhausuniversität mit, natürliche Baustoffe wie Lehm und Stroh aus der Nische heraus in das Blickfeld von Architekten und Ingenieuren zu bringen.

Weitere Informationen

fasba.de/
hoahoppe.wordpress.com/projekte/haus-einsb/
www.zukunftbau.de/projekte/forschungsfoerderung/1008187-2013
www.uni-weimar.de/en/civil-engineering/chairs/modelling-and-simulation-of-structures/news/titel/konstruktiver-strohballenbau-grossversuch-an-der-versuchstechnischen-einrichtung-durchgefuehrt/





 


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