Baubiologie und Oekologie

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Bayreuth, 29.03.2024

 

Kinder nicht zu früh elektronischen Medien aussetzen

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Wieder ruft eine besorgte Mutter an und klagt, dass ihr Kind aus dem Rhythmus geraten ist, schlecht schläft oder mit Lernstörungen zu kämpfen hat. Baubiologen untersuchen in erster Linie den Schlafplatz auf Innenraumschadstoffe oder elektromagnetische Felder. Aber sie können mit Ihrem Wissen nicht helfen, wenn die Schlafstörungen andere Ursachen haben. Eine davon ist der hohe Medienkonsum bereits in früher Kindheit. Der Journalist Ingo Leipner mutmaßt in seinem Buch "Die Lüge der digitalen Bildung" (verfasst zusammen mit Gerald Lembke), dass die Nutzung von elektronischen Medien bereits im frühen Stadium dazu führt, dass Kinder nicht mehr ausreichend schlafen und ihnen nicht mehr genügend Zeit bleibt, die reale Welt zu "begreifen".

KIM-Studie bestätigt die zunehmende Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen

Die KIM-Studie (Kindheit, Internet, Medien) hat die Aufgabe, die Mediennutzung von sechs- bis dreizehnjährigen Kindern Deutschland zu untersuchen. Diese Untersuchung wird vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (mpfs) alle zwei Jahre herausgegeben. Der Report aus dem Jahr 2018 zeigt, dass bereits acht Prozent der Sechs- bis Siebenjährigen ein eigenes Smartphone besitzen, bei den elf- bis zwölfjährigen waren es schon 52 Prozent.
An erster Stelle der Anwendung steht der Kontakt mit Freunden, hauptsächlich über Messengerdienste wie WhatsApp. Weitere Beschäftigungen im Internet sind die Recherche in Suchmaschinen und der Videokonsum über YouTube. Bereits 25% der befragten 6-7-Jährigen betrachtet öfters Youtube-Videos. Ein knappes Drittel der Nutzer hört regelmäßig Musik über das Internet. Jedoch liest nur die Hälfte der untersuchten Altersgruppe pro Woche regelmäßig Bücher. Der tägliche Fernsehkonsum beträgt bei 6-7-Jährigen im Mittel 71 Minuten, bei 12-13-Jährigen 91 Minuten; in dieser Altersgruppe kommen noch 83 Minuten für Internetnutzung hinzu.

Internetnutzung über WLAN dominiert

Gemäß KIM-Report 2018 nutzten 92 Prozent der Familien zu Hause einen WLAN-Anschluss. Insgesamt dürfen 65 Prozent der Kinder diesen WLAN-Anschluss auch mitnutzen. So sieht die Staffelung nach Altersgruppen aus: 6-7-Jährige: 32 %, 8-9-Jährige: 55 %, 10-11-Jährige 79 % und 12-13-Jährige: 90 %. 35 Prozent der jugendlichen Internetnutzer nutzen auch frei zugängliche WLAN-Netze auf öffentlichen Plätzen, wobei dies überwiegend Kinder ab zehn Jahren betrifft. In der 45 Prozent der Familien gibt es Streit über die Nutzung von Internet oder Smartphone und für 61 Prozent aller Erziehungsberechtigen werden Kinder durch den Medienkonsum zu Stubenhockern. Anderseits finden 51 Prozent der Befragten, dass Kinder durch das Internet etwas lernen können und 49 Prozent ist es wichtig, dass ihre Kinder bei Freunden mitreden können.

Medienkompetenz setzt bei Kindern erst ab zwölf Jahren ein

Lemke und Leipner verweisen auf die Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie. Diese besagt, dass Kinder etwa ab dem 12. bis 14. Lebensjahr beginnen, abstrakt zu denken und erste Möglichkeiten der Selbstreflexion entwickeln. Erst in diesem Alter wird es sinnvoll, Medienkompetenz aufzubauen. Als Grundlage dient das "Vier-Stufen-Modell der kognitiven Entwicklung", welches der Entwicklungsbiologe Jean Piaget entwickelt hat. Nach dessen Theorie sind Kinder ab etwa 12 Jahren zum ersten Mal in der Lage, wirkliche Denkoperationen durchzuführen. Dieser These stimmt auch die Neurobiologin Prof. Gertraud Teuchert-Noodt zu und sie fordert, dass Kinder bis zu diesem Entwicklungsschritt reiche Erfahrungen aus der realen Umwelt sammeln.
Zwischen der Geburt und etwa dem 12. Lebensjahr sollten Kinder Sport und Musik machen, toben, klettern, balancieren - und nicht in Bildschirme starren. Kinder brauchen diese starke Verwurzelung in der Realität, bevor sie sich in virtuelle Abenteuer stürzen. Durch senso-motorische Erfahrungen bauen Kinder notwendige Denkstrukturen auf. Das klappt aber nur, wenn Bildschirme nicht zu früh die Lebenszeit fressen, in der Kinder die Welt "begreifen" lernen. Die Reifung des Gehirns in den ersten Lebensjahren sollte nicht gravierend durch elektronische Medien, etwa durch Tablets im Kindergarten, gestört werden. Für die Autoren steht fest, dass eine Kindheit ohne Computer der beste Start ins digitale Zeitalter darstellt.

Digitalisierung und Medienkonsum als Geschäftsmodell für Konzerne

Ende Juli 2021 brachen in China plötzlich die Aktienkurse der 300 größten börsennotierten Unternehmen auf dem chinesischen Festland ein. Hintergrund war, dass die chinesische Regierung am Wochenende eine Reform des privaten Bildungssektors angekündigt hatte. Unternehmen, die Schullehrprogramme unterrichten, dürfen demnach keine Gewinne mehr erzielen oder an die Börse gehen. Den Instituten wurde untersagt, Schüler am Wochenende zu unterrichten. Akademische Angebote für Kinder unter sechs Jahren müssen komplett eingestellt werden. Die Auflagen dürften die 100 Milliarden Dollar schwere Branche zu teuren Änderungen zwingen. Digitalisierung in Schulen und mittlerweile sogar in Kindergärten ist auch in Europa und in Amerika ein riesiger Markt. Programme, die jedem Schüler ein Tablet und jedem Klassenraum ein Smartboard verschaffen wollen, sind die Lieblingskinder der Politik. Die Folge ist, dass Kinder nicht nur in der Freizeit vermehrt auf Bildschirme starren, sondern dies auch Vormittag in der Schule tun. Die Buchautoren Lemke und Leipner sehen darin die Gefahr einer gravierenden Fehlsteuerung bei der kindlichen Entwicklung.

Weitere Informationen

www.m-vg.de/redline/shop/article/13873-die-luege-der-digitalen-bildung/
www.mpfs.de/studien/kim-studie/2018/
www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/detail&newsid=1615
youtu.be/bZ-oom-BRFo
www.fraenkischertag.de/deutschland-welt/wirtschaft/pekings-vorgehen-gegen-nachhilfeschulen-loest-kurssturz-aus-art-61819
www.tagesschau.de/wirtschaft/online-nachhilfe-corona-101.html





 


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