Baubiologie und Oekologie

Gesundes Wohnen und Arbeiten


Bayreuth, 26.04.2024

 

Fundierte Schimmelpilzuntersuchung schnell, einfach und preisgünstig ?

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Schimmeltests ohne fachliche Beratung werden zunehmend in Zeitschriften beworben. Wohnungsbesitzer erhalten die Illusion, aufgrund dieser Auswertung das Schimmelrisiko korrekt einschätzen zu können. Bei diesem Verfahren werden Platten mit Nährböden, sogenannte Petrischalen, für eine bestimmte Zeit im Innenraum und als Kontrolle auch außerhalb der Wohnung aufgestellt. Die zurückgeschickten Nährböden werden im Labor ausgewertet. Die Kosten für die Analyse und Auswertung betragen zwischen 50 und 60 Euro je Petrischale. Nicht nur sachverständige Baubiologen sehen diese Vorgehensweise sehr kritisch. Das Umweltbundesamt nimmt dazu ebenfalls Stellung:

Probenahme anhand des Sedimentationsverfahrens

Das Sedimentationsverfahren beschreibt die Luftkeimsammlung mit Hilfe einer geöffneten Petrischale. Schimmelpilzsporen und Schimmelpilzbestandteile setzen sich aus der Luft auf die mit Nährmedien befüllten Platten ab. Die Passivsammlung wird von Fachleuten auch als OPD = open-petri-dish bezeichnet.
"Mit dem Sedimentationsverfahren können keine reproduzierbaren quantitativen Ergebnisse erhalten werden. Es kann daher nicht zum Nachweis kultivierbarer Schimmelpilzsporen bei Luftuntersuchungen im Innenraum empfohlen werden", lautet eine Stellungnahme des Umweltbundesamts.

Problematik des open-petri-dish Verfahrens

Das Umweltbundesamt fasst in seinem Leitfaden (1) die Problematik des OPD-verfahrens zusammen• Die Sedimentation der vorhandenen Schimmelpilze ist abhängig von ihrem aerodynamischen Durchmesser und von mechanisch sowie thermisch bedingten Verwirbelungen. Sehr kleine Sporen z.B. von Aspergillus-Arten sedimentieren schlecht.
• Nicht alle Schimmelpilze wachsen auf dem verwendeten Nährböden, das heißt, sie werden unter Umständen gar nicht erfasst.
• Sehr rasch wachsende Schimmelpilze wie z.B. Rhizopus spp. können während des Transports vom Probenahmeort zum Labor die Platte überwuchern.
• Der Kunde erhält in der Regel nur eine Gattungsanalyse und keine Differenzierung auf Artebene. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher medizinischer Bedeutung macht z.B. ein Ergebnis Aspergillus spp. wenig Sinn, da es durchaus von Bedeutung sein kann, ob es sich um Aspergillus fumigatus, Aspergillus flavus, Aspergillus versicolor oder Aspergillus glaucus handelt.
• Das Verfahren liefert keine quantitativen und reproduzierbaren Ergebnisse. Ein solcher Test kann deshalb lediglich ein erster, sehr grober Anhaltspunkt sein, der bei tatsächlicher Erfordernis eine methodisch exakte Messung vor Ort nicht ersetzen kann und deshalb überwiegend entbehrlich ist. Darüber hinaus wird der Verbraucher durch die Ergebnisse meist nur verunsichert.

Angreifbare Werbeversprechen

Die Aussage im Firmenprospekt "... Sie erhalten eine umfassende Beurteilung, mit der Sie dann gezielt Maßnahmen zur Bewertung und Sanierung einer Immobilie oder zur Gesundheitsvorsorge ergreifen können" erscheint sehr weit gegriffen, ausgehend von der Tatsache, dass z.B. Stachybotrys chartarum mit Hilfe des Sedimentationsverfahrens auf DG-18-Agar nicht nachgewiesen wird und das Verfahren keine quantitativen und reproduzierbaren Ergebnisse liefern kann.

Es geht noch krasser: der Kunde soll selbst analysieren

Mit großer Skepsis sind Angebote zu bewerten, bei welchen der Kunde für z.B. 99 Euro zehn Nährbodenplatten erhält und dann im "do-it-your-self-Verfahren" nach schriftlicher Anleitung seine angelegten Sedimentationsplatten selbst auswerten soll. Es bestehen berechtigte Zweifel, inwieweit ein Laie hierzu tatsächlich in der Lage ist.

Vorteile einer professionellen Schimmelpilzbeprobung

Für die Luftkeimsammlung sind mindestens die beiden Nährböden Malzextrakt Agar und DG18 Agar mit einem definierten Probenahmenvolumen von 100 L Luft zu verwenden. Das Anlalytiklabor Umweltmykologie Berlin empfiehlt, je Nährboden und Messplatz eine Doppelbeprobung. Damit kann das Risiko einer Überwucherung vermindert werden. Zudem sollten die nicht keimfähigen Sporen durch eine Analyse der Partikelsammlung ergänzt werden. Bei einem sichtbaren Befall ist die Untersuchung einer Materialprobe ergänzend zu empfehlen.
Es gilt der Merksatz: "Schimmelpilz ist nicht gleich Schimmelpilz!" Rein quantitative Messungen haben meist geringen Aussagewert. Die Differenzierung der Pilzarten ist aussagekräftiger als die Angabe einer Schimmelpilzkonzentration. Eine fundierte Schimmelpilzuntersuchung wird daher in den seltensten Fällen "schnell, einfach und preisgünstig" sein.
Baubiologen, die Schimmelpilzuntersuchungen durchführen, sind im Firmenverzeichnis von Baubiologie Regional zu finden. Eine Einschränkung auf Postleitzahlen erleichtert die Suche.

Literatur

1) Umweltbundesamt, Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen (2002)
2) Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Schimmelpilze in Innenräumen – Nachweis, Bewertung, Qualitätsmanagement (2004)






 


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