Baubiologie und Oekologie

Gesundes Wohnen und Arbeiten


Bayreuth, 28.03.2024

 

Feinstaub aus baubiologisch-messtechnischer Sicht

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Ganz Europa redet seit neuestem von Feinstaubbelastungen und -risiken. Ein Grenzwert (50 µg/m3) wurde für die Außenluft etabliert, der nur an 35 Tagen im Jahr überschritten werden darf, im Jahresmittel dürfen es nur 40 ng/m3 sein.
Diskutiert wird vor allem über die Außenluft, über Autoabgase, speziell bei Dieselmotoren, vielleicht noch über Industrieemissionen. Was bedeutet dies alles für uns Baubiologen? Welche Konzentrationen liegen in innenräumen vor? Mehr oder weniger als draußen? Gibt es auch in innenräumen nennenswerte Feinstaubproduzenten? Wie sind die Herausforderungen an die Messtechnik, sowohl an die offizielle draußen als auch an unsere baubiologischen Möglichkeiten im Haus? Viele dieser Fragen sind zum jetzigen Zeitpunkt noch gänzlich oder nur ansatzweise geklärt, im folgenden soll eine kurze Zusammenfassung des momentanen Standes versucht werden.

Stäube in der Außenluft

In der Außenluft gibt es Stäube sowohl aus natürlichen als auch aus technischen Quellen: Den den Menschen schon in der gesamten Evolution begegnenden Aufwirbelungen durch Luftbewegung und Stürme, Bränden oder Vulkanausbrüchen stehen die neuen anthropogenen Emissionen aus Feuerungsanlagen, technischen Verbrennungsprozessen, Hütten- und Zementwerken, dem Straßenverkehr (Dieselruß, Katalysatorausstoß, Abrieb von Reifen, Kupplungen und Bremsen) oder Produktions- und Verarbeitungsprozessen am Arbeitsplatz gegenüber. Momentan intensiv diskutiert werden auch die bei Tagebauten z.B. im rheinischen Braunkohlerevier frei werdenden Mengen an Feinstäuben, die zudem radioaktiv erhöht strahlen können. Für ultrafeine Stäube werden vor allem Verbrennungsprozesse und Dieselmotoren verantwortlich gemacht. Es gibt Schätzungen, dass in Deutschland jährlich 8.000 bis 19.000 Tote (speziell durch Lungenkrebs) auf das Konto von Dieselruß gehen. Dieselruß hat Korngrößen zwischen 0,1 und 1 µm, der Rußanteil im Feinstaub draußen beträgt ca. 20 %. In den letzten Jahren und Jahrzehnten haben Staubemissionen von der reinen Gewichtsbetrachtung her aufgrund verbesserter Filteranlagen zwar abgenommen, die ultrafeinen leichten Partikel sind aber in ihrer Anzahl deutlich angestiegen. Sie werden durch Filter schlechter erfasst und finden offenbar keine großen Staubteilchen mehr zum Aggregieren und Absinken. Sie verbleiben also länger in der Luft, können tausende Kilometer bis weltweit zirkulieren und so wesentlich länger von Menschen eingeatmet werden.
Dazu kommt, dass sie tiefer in unsere Atemwegen inhaliert werden und offenbar leichter in den Blutkreislauf gelangen können. Bei modernen Dieselmotoren bzw. -einspritztechnologien entstehen im übrigen kleinere Partikel als früher (bei gewichtsmäßig wiederum niedrigeren Gesamtstaubmengen). Inwieweit durch die viel diskutierten Partikelfilter (bzw. durch welche Filter-Typen) tatsächlich gerade diese ultrafeinen Teilchen erfasst werden (und ob ihr Einbau demnach tatsächlich sinnvoll ist), ist umstritten.

Stäube in der Innenraumluft

Generell wird die Staub-Situation in Innenräumen aufgrund des aktiv herbeigeführten oder passiv vorliegenden Luftwechsels stark von der Außenluft her beeinflusst. Speziell die ultrafeinen Partikel sinken nach dem Hineinwehen kaum ab und können stunden- bis tagelang in der Innenraumluft schweben. Über diese Außeneinflüsse hinaus ist Staub in Innenräumen ein Gemisch aus anorganischen und organischen Partikeln unterschiedlicher Größe. Er entsteht z.B. durch Textilabrieb, Hobbytätigkeiten, Küchenarbeiten (Kochen, Braten, Grillen...), Kerzenbrand oder Rauchen (eine Zigarette reicht, und die Schwebstaubwerte im Raum steigen sprunghaft an).
Auch beim Staubsaugen werden viele Partikel aufgewirbelt und verteilt, letzteres vor allem bei Saugern ohne Feinstaubfilter nach HEPA-, ULPA- oder S-Klasse-Standards. Schlecht gewartete Lüftungs- oder Klimaanlagen mit verschmutzten oder beschädigten Filtern verursachen ebenfalls oft hohe Partikelzahlen.
Die Menge der größeren Partikeln (über etwa 5 µm) in der Innenraumluft hängt stark vom Nutzerverhalten ab. Bei reichlicher Bewegung von und an Teppichen bzw. Teppichböden, Polstermöbeln, Textilien o.a. können viele dieser Grobstaub-Partikel aufgewirbelt werden, sie lagern sich aber auch relativ schnell wieder ab. In vielen Wohnungen oder Büroräumen können die Mengen an Feinstäuben (bzw. Staub generell) deutlich höher als draußen sein. Speziell wenn innen geraucht wird, kann die Feinstaub-Belastung leicht bei 100 µg/m3 oder weit mehr liegen, also deutlich über dem von der EU vorgegebene Außenluft-Grenzwert von 50 Mikrogramm. Probleme mit Feinstäuben drinnen werden vor allem für Büroräume bzw. beim Einsatz von Laser-Druckern oder -Kopierern diskutiert. Hier können feinste Staubteilchen bis in den Nanopartikel-Bereich hinein emittiert werden, begleitet von einer Vielzahl verschiedenster teilweise hochkritischer Schadstoffe (z.B. Metalle wie Nickel, Kobalt, Quecksilber, Blei, Kupfer oder Strontium, VOC wie Benzol, Phenol oder Styrol, Organozinnverbindungen wie Dibutylzinn oder TBT sowie Ruß). Es muss somit von komplexen Kombinationswirkungen ausgegangen werden.

Nanotechnologie

Immer mehr Gegenstände und Materialien des alltäglichen Lebens werden mit Hilfe der Nanotechnologie hergestellt. Es wird bislang - trotz entsprechender Forderungen vieler Ärzte und Wissenschaftler - kaum über mögliche Gesundheitsrisiken diskutiert und geforscht. Insofern ist auch noch vollkommen unklar, inwieweit es zu Innenraumrisiken durch Produkte mit Nanopartikeln kommt. Fest steht, dass die Menschheit wieder einmal einer Technologie ohne ausreichende vorhergehende Erforschung im Großversuch ausgesetzt wird. Produkte, in denen jetzt bereits Nanopartikel eingesetzt werden, sind z.B. Cremes, Pasten, Sonnenschutzmittel, Kosmetika oder Zahnpasta (bei all diesen erfolgt wahrscheinlich eine sehr leichte Aufnahme über die Haut), Ketchup, Speisesalz, Nahrungsmittelzusätze, Vitaminspray oder Medikamente, Tennisbälle, Computerdisplays, Autoreifen, Autopaneelen, Oberflächenimprägnierungen, All-Wetter-Stoffe, Skiwachs, Antigraffiti- und andere Farben, Lacke und Kleber sowie - was für den Innenraumbereich wahrscheinlich sehr relevant ist, da leicht Stäube frei werden können - die bereits oben erwähnten Laser-Drucker und -Kopierer (beim Mahlen des Toners entstehen rund 20 % Mikroteilchen). Auch ein neuer Dämmstoff für Häuser mit einem Grundgerüst feinster Kieselsäure-Nanopartikel wurde entwickelt.Die Zahl der Anwendungen für Nanopartikel wird immer größer, sie werden gar als Wundertechnik für fast alles und jedes angepriesen: Materialien können z.B. flexibler gestaltet werden, haben eine längere Lebenszeit und bessere elektrische Leitfähigkeit oder Transparenz.
Inwieweit eine Freisetzung von Nanopartikeln aus im Innenraum eingesetzten Produkten stattfinden kann bzw. stattfindet, ist noch vollkommen ungeklärt bzw. wurde noch nicht untersucht. Aufgrund der ultrakleinen Partikel bestehen hier vor Ort auch große messtechnische Schwierigkeiten. Aktuell wurde gemeinsam von Forschern des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie ICT und dem Farbenhersteller Bioni eine angeblich dauerhafte und nicht-toxische Nanotechnologie-Malerfarbe ("Bioni Nature") gegen Schimmelpilze, Bakterien und Algen für Innenräume oder Außenfassaden entwickelt. Von ihr bzw. den enthaltenen Nanopartikein aus metallischem Silber in der Größe von zehn Nanometern soll keinerlei Raumluftbelastung ausgehen (wie TÜV-Untersuchungen ergeben haben sollen). Die entwickelte Wirkstoffkombination soll nun auch in anderen Produkten wie der Beschichtung von Zahnimplantaten, synthetischen Knochen, Kathetern, Herzklappen, Lebensmittelverpackungen oder Spielzeug getestet werden.

Messverfahren

Eines der Hauptprobleme bei der Messung und Bewertung von Feinstäuben sind die unterschiedlichen Partikelgrößen. Über die in der Regel durchgeführten (und auch in den aktuellen Richtlinien vorgegebenen) Gewichtsmessungen fallen vor allem die größeren Staubanteile ins Gewicht, die feinen (mit einem Durchmesser von rund 0,1-2,5 µm) und ultrafeinen (Durchmesser unter 0,1 µm) dagegen kaum. Gerade diese sind aber offenbar biologisch und gesundheitlich besonders kritisch. Offizielle Messverfahren beruhen oft auf Staubsammlungen mit entsprechenden Pumpen und Filtrationseinheiten sowie Vorabscheidern als Gesamtschwebstaub- bzw. Feinstaubprobenahmen oder größenktassenaufgelöst mittels sogenannter Kaskadenimpaktoren. Gut sind so die Gewichtsanteile einzelner Fraktionen (in Mikrogramm pro Kubikmeter = µg/m3) zu ermitteln, in der Regel als PM 2,5 (alle Partikel unter 2,5 µm Größe) oder PM 10 (unter 10 µm). Der komplexen Feinstaub-Thematik wird man besser über sogenannte online-Messverfahren gerecht. Diese funktionieren entweder über kontinuierlich arbeitende Mikrowaagen (z.B. TEOM) oder mit ortsfesten Beta-Strahlen-Absorptions-Messgeräten, beide liefern Staubkonzentrationen in ug/m3 entsprechend abgeschiedener Größenfraktionen.
In der Baubiologie bzw. generell der schnellen Analytik vor Ort haben sich Partikelzähler als aussagekräftig und gut handhabbar erwiesen. Die Geräte funktionieren mit Laser-Technik und differenzieren verschiedene Partikelgrößen, z. B. von 0,3 Mikrometer über 0,5 µm, 1 µm, 2 µm, 5 µm bis 10 µm. Die Angaben erfolgen in Partikelzahl pro Luftvolumen, typischerweise pro Liter. Typische Werte sind 3.000 bis 10.000 Partikel pro Liter über 0,5 µm, 5 bis 100 über 5 µm. Mit Partikelzählem lassen sich in wenigen Minuten Rückschlüsse auf die Luftbelastung und das biologische Risiko ziehen. Nanopartikel sind so leider aufgrund der geringen Größe unterhalb der Auflösefähigkeit von Licht kaum erfassbar. Partikelzähler, die grösser 0,5 µm messen, kosten ca. 20 T Euro (Aerosol Spektrometer Fa. Grimm); Geräte die grösser 1 nm erfassen, liegen in der Preisklasse um 45 T Euro (SMPS +C Fa. Grimm).

Handlungsempfehlungen, Sanierungsmaßnahmen und Tipps zur Minimierung der Staubbelastung in Innenräumen

Lüften reduziert drinnen freigesetzte Partikelmengen und sollte speziell nach dem Staubsaugen, Kochen, Bettenmachen u.a. erfolgen. Lediglich an sehr vielbefahrenen Straßen und in direkter Industrienähe kann es zu nennenswerten Innenraumbelastungen durch die Verbrennungsabgase und -teilchen von außen kommen, hier sollte am besten weniger zu Rush-hour-Zeiten gelüftet werden, sondern überwiegend spät abends oder nachts. Beim Kochen sollte eine Dunstabzugshaube eingesetzt werden. Staub sollte häufig nass gewischt werden.
Beim Staubsaugen sollten nur hochwertige und leistungsstarke Geräte mit speziellem Schwebstaub-bzw. Partikelfiltern (HEPA-, ULPA- oder S-Klasse-Standard) eingesetzt werden. Deren Abluft ist sauberer als die normale Raumluft, bei Saugern ohne solche Filter hingegen können leicht große Mengen feinstverteilter Partikel freigesetzt werden. Bei empfindlichen Personen oder bei besonderen Partikelproblemen in Innenräumen können Luftfiltergeräte mit den entsprechenden Filterstandards (z. B. HEPA) eingesetzt werden. Auf eine übermäßige textile Ausstattung von Innenräumen (Teppichböden, Teppich, Polstermöbel, Kissen, Wandteppiche, Vorhänge, Gardinen, Stoffpuppen, Tischdecken...) sollte verzichtet werden.

Für den Einsatz von Laser-Druckern oder -Kopierern gibt es eine Vielzahl von Empfehlungen

• Bevorzugter Einsatz von Tintenstrahldruckern, auf Laserdrucker im Privatbereich verzichten
• Schadstoffminimierte Toner einsetzen (z. B. mit dem Prüfsiegel der LGA Bayern)
• Ständig laufende Geräte in separate und wischbare Räume aufstellen, nicht in der Nähe von Dauerarbeitsplätzen
• Bei größeren Druckaufträgen Raum verlassen und stoßlüften
• Auch bei gelegentlichem Betrieb der Geräte auf ausreichende Lüftung achten.
• Kartuschenwechse! nur bei guter Belüftung, mit Schutzhandschuhen und Feinstaubmaske durchführen
• Gebrauchte Kartuschen in verschlossenen Behältern aufbewahren
• Auf einwandfreien Wartungszustand achten, Geräte nur von Fachpersonal reinigen lassen, mit speziellen Feinstfilter-Staubsaugern, niemals ausblasen
• Nur mit geschlossener Abdeckung kopieren ('Trauerränder' vermeiden)
• Papierstaus vorsichtig und sorgfältig beheben, damit nicht unnötig Staub aufgewirbelt wird
• Verunreinigungen durch Toner immer mit feuchtem Tuch aufnehmen.

Quelle: Vortrag von Dr. Manfred Mierau im Rahmen des VB-Expertenseminars in Fulda (11-2005)






 


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