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Bayreuth, 23.04.2024

 

Acrylamid ist zurück im Fokus

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Die Diskussion um Acrylamid scheint in Wellenform zu kommen und zu gehen. Seit 2011 versucht die Europäische Union mit "Empfehlungswerten" für den Gefahrstoff über die Runden zu kommen, kann bei Überschreitungen aber praktisch nichts ausrichten. Ein Gerichtsurteil in den USA bringt möglicherweise eine neue Dynamik in die Diskussion. Das "Council for Education and Research on Toxics (CERT)", eine wenig bekannte gemeinnützige Gruppe, verklagte 90 Kaffeehändler, darunter Starbucks, weil sie gegen ein kalifornisches Gesetz verstoßen haben, nach dem Unternehmen Verbraucher vor Chemikalien in ihren Produkten warnen sollten, die Krebs verursachen könnten. Eine dieser Chemikalien ist Acrylamid, welches als Nebenprodukt beim Rösten von Kaffeebohnen entsteht. Richter Elihu Berle vom Gericht in Los Angeles sagte in einer Entscheidung vom 28.3.2018, dass die beklagten Unternehmen nicht deklariert hätten, dass ein signifikantes Krebsrisiko beim Verzehr von geröstetem Kaffee besteht. Die betroffenen Unternehmen haben nun bis zum 10. April Zeit, Einwände gegen die Entscheidung vorzubringen.

Im Tierversuch krebserregend

Acrylamid hat sich im Tierversuch als krebserregend erwiesen. Die Chemikalie wirkt in großen Dosen wie ein Nervengift. Bauarbeiter, die beim Bau des Hallandsåstunnel in Schweden mit dem Stoff kontaminiert wurden, zeigten Symptome von Taubheit in den Händen. Tests an Ratten hatten gezeigt, das Acrylamid auch das Erbgut verändern kann. Die Ratten bekamen Krebs und ihr Nachwuchs kam mit Mutationen auf die Welt. Die Wirkung von Acrylamid in kleineren Dosen auf den Menschen ist jedoch nicht abschließend geklärt. "Auf der Basis uneinheitlicher Ergebnisse epidemiologischer Studien kann ein kausaler Zusammenhang zwischen der Acrylamidaufnahme und einer Krebserkrankung beim Menschen weder angenommen noch ausgeschlossen werden, sagt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)". Aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes gilt in Deutschland seit 2002 ein vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) entwickeltes Acrylamid-Minimierungskonzept mit nationalen Signalwerten. Die weitgehende Übernahme des Konzepts auf europäischer Ebene erfolgte im Jahr 2011.

Signalwerte für einzelne Produktgruppen als Orientierung

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit veröffentlicht auf seiner Webseite Signalwerte für einzelne Produktgruppen. Für Kaffeebohnen liegt der momentane Signalwert bei 400 Mikrogramm pro Kilogramm (µg/kg), bis zum Jahr 2010 waren es nur 280 µg/kg. Instantkaffees haben einen Signalwert von 900. Knäckebrot, Waffeln und Kekse sind mit 500 µg/kg eingruppiert. Kekse und Zwieback für Säuglinge und Kleinkinder erhalten den strengeren Wert von 250 µg/kg zugewiesen. Die Signalwerte stellen für die Lebenskontrolleure eher eine "Kann-Regel", als eine "Muss-Regel" dar. Die Betriebe sollen sich Gedanken machen, wie der Acrylamidgehalt vermindert werden kann, ohne die Produktqualität zu verringern, teilt das Amt für Verbraucherschutz mit.

Eine wichtige Maßnahme: Kaffee schonend rösten

Bei Kaffeebohnen sorgt der Röstvorgang für die Entstehung von Acrylamid. Je kürzer die Zeit des Erhitzens und je höher die Temperatur, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Acrylamid entsteht. "Industrieröster rösten Kaffeebohnen oft nur zwei Minuten lang bei circa 500 Grad" teilt der Kaffeeröster "Martermühle" auf seiner Webseite mit. Somit sparen sie Zeit und wirtschaften effektiv. Längeres Rösten bei weniger Hitze ist schonender, kostet natürlich mehr Zeit. "Wir versprechen Ihnen, jede Kaffeesorte konsequent und sorgfältig bei nur ca. 200°C zwanzig Minuten lang zu rösten", so Martermühle. Durch dieses Verfahren entwickelt sich das volle Aroma und die unerwünschten Säuren werden abgebaut.

Deklaration auf der Verpackung fehlt in Deutschland

Den Acrylamidgehalt sucht der Verbraucher auf den Packungen von Röstkaffee bisher vergebens. Möglicherweise passt die EFSA (European Food Safety Authority) die Richtlinien nach dem Urteil von Los Angeles jetzt an und verlangt die Deklaration von Acrylamid auf der Verpackung. Einige Kaffeeanbieter zeigen sich bereits transparent. Der "Dritte-Welt-Laden" in Bayreuth gibt auf seiner Verpackung die Adresse des Rösters an. An diesen kann man sich wenden, um mehr Informationen zum Röstverfahren oder zum Acrylamidgehalt zu erhalten.

Links

in.reuters.com | Starbucks coffee in California must have cancer warning judge says
bsmev.de | Verordnung (EU) 2017/2158 Der Kommission vom 20. November 2017 zur Festlegung von Minimier- und Richtwerten für die Senkung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln
blv.de | Signalwerte für einzelne Produktgruppen in Deutschland
bfr.de | Acrylamid






 


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