Baubiologie und Oekologie

Gesundes Wohnen und Arbeiten


Bayreuth, 28.03.2024

 

Zu trockene Luft im Großraumbüro

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Wenn viele Personen in einem großen Büro zusammenarbeiten, kann es der Arbeitgeber nicht jedem recht machen. Eine Mitarbeiterin friert trotz warmer Jacke, einem anderen ist die Luft zu trocken und ein dritter Kollege klagt über Zugluft. Geschäftsleitung und Betriebsrat suchen nach einer verträglichen Lösung und wären dankbar für eine allgemein gültigen Aussage im Bereich des Arbeitsschutzes. Lösungsansätze liefert die Arbeitsstättenregelung (ASR) A3.5 hinsichtlich der Raumtemperatur für sitzende Tätigkeiten. Die Mindestwerte der Lufttemperatur in Arbeitsräumen bei einer leichten Tätigkeit sollten 20 Grad Celsius nicht unterschreiten.
Für Luftfeuchtigkeit gilt die ASR A3.6 "Lüftung". Diese Regel schützt den Arbeitnehmer aber nur vor zu hoher Luftfeuchtigkeit. So soll bei einer Raumtemperatur von 20 Grad die relative Luftfeuchtigkeit nicht mehr als 80 Prozent betragen. Kennzahlen für zu trockene Luft sieht die A3.6 nicht vor. Die allgemeine Aussage lautet dort: "Üblicherweise braucht die Raumluft nicht befeuchtet zu werden. Für den Fall, dass Beschwerden auftreten, ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen zu ergreifen sind."
Als Hilfsgröße könnten Mitarbeiter im Arbeitsschutz die Norm DIN EN 13779 "Lüftung von Nichtwohngebäuden" heranziehen. Sie sieht für die relative Luftfeuchtigkeit eine untere Grenze von 30 Prozent vor, um trockene Augen und Schleimhautreizungen zu vermeiden. Die Deutsche gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) verweist auf eine Literaturstudie aus dem Jahr 2007. Nachfolgend werden die wichtigsten Erkenntnisse daraus zusammengefasst.

Studie zeigt: die Einschätzung der relativen Luftfeuchte durch Probanden ist eher unzuverlässig

Die Studie von Nadja von Hahn aus dem Jahr 2007 untersuchte die wissenschaftliche Literatur zwischen 1960 und 2005. Unter anderem interessierte die Frage nach der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit der relativen Luftfeuchte. Koch et al. führten bereits in den 1960er Jahren Klimakammeruntersuchungen zur Wahrnehmbarkeit der relativen Luftfeuchte durch. Probanden mussten anhand einer siebenstufigen Skala unter anderem ihre Einschätzung über die vorgegebene relative Luftfeuchte abgeben. Eine Fähigkeit zur Abschätzung der relativen Luftfeuchte konnte nicht nachgewiesen werden. Auch Andersen et al. kamen in den 1970er Jahren im Rahmen ihrer Klimakammeruntersuchungen zu dem Schluss, dass die Einschätzung der relativen Luftfeuchte durch Probanden eher unzuverlässig ist. Im Jahre 1978 berichtete McIntyre, dass die Wahrnehmungsfähigkeit für die relative Luftfeuchte von der Lufttemperatur abhängig ist. In einigen Fällen wird auch darüber berichtet, dass selbst bei mittlerer relativer Luftfeuchte Klagen über zu trockene Luft auftreten. So kann das Gefühl zu trockener Luft z. B. durch zu hohe Raumlufttemperaturen, eine zu geringe Luftwechselrate oder Luftverunreinigungen sowie durch eine erhöhte Staubbelastung ausgelöst werden.

Krankheitssymptome wissenschaftlich untersucht

Eine Austrocknung der Schleimhäute konnte im Laborversuch mit Reinluft nicht nachgewiesen werden. Die menschliche Nase ist demnach in der Lage, die trockene Luft selbst bei längerfristiger Einwirkung durch eine körpereigene Befeuchtung zu kompensieren. Asthmatikern fehlt diese Fähigkeit wahrscheinlich (Strauss et. al).
Hinsichtlich Erkältungskrankheiten kommen die meisten Studien zu der Erkenntnis, dass sich eine höhere Luftfeuchtigkeit günstig auswirkt. "Die Überlebensfähigkeit von Influenzaviren in der Raumluft ist nach Laboruntersuchungen stark abhängig von der relativen Luftfeuchte. Zwischen 15 bis 40 % relativer Luftfeuchte ist deren Überlebensrate demnach hoch, im Bereich zwischen 50 bis 90 % relativer Luftfeuchte ist sie eher gering", so die oben zitierte Studie von N. von Hahn.
Menschen, die an einem atopischen Ekzem leiden, klagen bei niedriger Luftfeuchtigkeit über eine Zunahme von Hautrauigkeit. Bei extrem trockener Luft von kleiner 5% klagten auch gesunde Probanden über zu trockene Haut. Die Hautprobleme könnten auch auf die erhöhte Feinstaubablagerung bei zu niedriger Luftfeuchtigkeit zurückzuführen sein. Das Risiko von elektrostatischen Aufladungen erhöht sich aufgrund von trockener Raumluft erheblich. Als unangenehmer Nebeneffekt der Elektrostatik werden Staub und Partikel in der Raumluft verwirbelt. Beschwerden an den Augen könnten ebenfalls durch staubhaltige Luft ausgelöst werden können. Zusammenfassend betrachtet, kommt Nadja von Hahn zur Erkenntnis, dass keine Studie eindeutig eine untere Grenze von 30 % relative Luftfeuchtigkeit medizinisch begründet bzw. einen anderen Grenzwert herleiten ließe.

Raumklimamessung mit Datenloggern

Zur Einschätzung der Raumklimabedingungen sind Messzeiträume über mehrere Wochen unabdingbar. Baubiologen messen bevorzugt mit dem HOBO-Datenlogger der Firma Onset. Diese Geräte sind kostengünstig, robust und mit langer Batteriekapazität ausgestattet. Die Anzahl der Impulse ist über die Software frei wählbar, z.B. ein Messwert je Minute, je halbe Stunde oder je eine Stunde. Die Gesamtzahl der Messwerte ist aber begrenzt; deshalb muss der Anwender überlegen, wie viele Impulse während der Gesamtdauer möglich sind. Zur sicheren Bestimmung des Raumklimas werden mehrere Datenlogger in den Innenräumen aufgestellt; als Ergänzung dazu mindestens eine Vergleichsmessung im Freien. Die Messreihen aller Logger lassen sich nach dem Auslesen bequem über eine Tabellenkalkulation zusammenführen und grafisch aufbereiten. Bewährt haben sich vergleichende Darstellungen mit der relativen Luftfeuchtigkeit auf der linken Skala und der Raumtemperatur auf der rechten Achse.

Zusammenspiel von Raumtemperatur, absoluter und relativer Luftfeuchte

Relative Luftfeuchtigkeit und Raumklima sind physikalisch eng verknüpft. Warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen als kalte Luft. Allerdings ist die Aufnahmekapazität der Luft begrenzt. Die Sättigungsfeuchte oder maximale Luftfeuchtigkeit gibt an, wieviel Gramm Wasserdampf je Kubikmeter Luft bei einer bestimmten Temperatur enthalten sind. Beispiel: bei einer Raumtemperatur von 20 Grad Celsius beträgt die Sättigungsfeuchte 17,3 g; bei einer Raumtemperatur von 30 Grad hingegen 30,4 Gramm.
Grafik absolute Luftfeuchte
Die relative Luftfeuchtigkeit errechnet sich somit aus dem Verhältnis von absoluter Feuchte zu maximaler Feuchte bei einer bestimmten Raumtemperatur. Umgekehrt lässt sich die absolute Feuchte rechnerisch ermitteln. Beim Kauf von Hygrometern sollten Baubiologen darauf achten, dass neben der relativen Feuchte auch die absolute Feuchte im Display angezeigt wird, so zum Beispiel beim Hygrometer der Firma Greisinger.

Links

https://www.dguv.de/medien Studie von N. von Hahn
https://rechneronline.de/barometer/luftfeuchtigkeit.php






 


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