Baubiologie und Oekologie

Gesundes Wohnen und Arbeiten


Bayreuth, 29.03.2024

 

Die Sehnsucht nach Grenzwerten

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Auf der Basis von Grenz- oder Richtwerten verabschieden Volksvertreter Umweltgesetze, schließen Behörden im Schadensfall Kindergärten oder Schulen und bringen Technologiefirmen neuartige Produkte auf den Markt. Grenzwerte unterliegen in der Regel einer kontroversen politischen Diskussion, da sie Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes nehmen. Deshalb sollten sie eine wissenschaftliche Grundlage haben oder zumindest auf einem statistisch maßgeblichen Zahlenpool aufbauen. In bestimmten Fällen der Umweltanalytik fehlen Grenzwerte jedoch gänzlich. In diesem Fall müssen sich Gutachter und Juristen Hilfskonstruktionen suchen, um das Risiko einer Umweltbelastung sachgemäß zu bewerten.

PCP-Richtlinie bei Holzschutzmitteln anwenden

Für Holzschutzmittel existieren keine bundesweit einheitlichen Grenzwerte. In den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts traten massive Klagen von Holzschutzmittelgeschädigten auf. PCP wurde in weitem Umfang als Fungizid zur Konservierung von Materialien eingesetzt, und zwar überwiegend für Holz, aber auch für Leder und Teppichböden. So entschlossen sich die für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder eine Kommission zur Aufstellung einer technischen Regel für das häufig verwendete Pentachlorphenol (PCP) einzuberufen. Als deren Ergebnis liegt seit Februar 1997 die PCP-Richtlinie vor. Die technische Regel liefert Vorgaben für die Bewertung der Schadstoffkonzentration in der Raumluft und die Ermittlung der Sanierungsnotwendigkeit von belasteten Räumen. Für Lindan, als das am nächsthäufigsten verwendete Holzschutzmittel, gelten die Richtwerte und Sanierungsmaßnahmen analog. Im Bereich des Arbeitsschutzes sind die Vorgaben der Gefahrstoffverordnung anzuwenden.

Richtwerte für flüchtige Innenraumschadstoffe (VOC)

Richtwerte I und II für Einzelstoffe

Auch für flüchtige organische Verbindungen liegen keine gesetzlichen Grenzwerte vor. Als wichtige Hilfsgrößen für chemische Einzelverbindungen haben sich die Richtwerte I und II des Ausschusses für Innenraumschadstoffe (AIR) erwiesen. Dieses Gremium setzt bundeseinheitliche, gesundheitsbezogene Richtwerte für die Innenraumluft fest, die als Maßstab für die Bewertung der Innenraumluftqualität öffentlicher und privater Gebäude in Deutschland angewandt werden können. Der AIR besteht aus Fachleuten des Bundes und der Länder, die auf Mandat der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) benannt werden. Richtwert II (RW II) ist ein wirkungsbezogener Wert, der sich auf die gegenwärtigen toxikologischen und epidemiologischen Kenntnisse zur Wirkungsschwelle eines Stoffes unter Einführung von Unsicherheitsfaktoren stützt. Er stellt die Konzentration eines Stoffes dar, bei deren Erreichen beziehungsweise Überschreiten unverzüglich gehandelt werden sollte. Diese Konzentration kann bei Daueraufenthalt in den Räumen eine gesundheitliche Gefährdung darstellen. Richtwert II wird auch als Eingreifwert bezeichnet. Unterhalb von Richtwert I (RW I) ist bei einer Einzelstoffbetrachtung nach gegenwärtigem Stand der Forschung auch dann keine gesundheitliche Beeinträchtigung zu erwarten, wenn ein Mensch diesem Stoff lebenslang ausgesetzt ist. Aus Gründen der Vorsorge sollte im Konzentrationsbereich zwischen Richtwert I und II gehandelt werden. RW I dient als Zielwert für Sanierungsmaßnahmen. Bei der Anwendung der oben genannten Richtwerte gilt es zu bedenken, dass mögliche Kombinationswirkungen von Schadstoffen nicht ausreichend erforscht sind. Eine Minimierung der Konzentration ist auf jeden Fall anzustreben.

Der Summenwert TVOC für die Gesamtstoffbelastung

Neben Richtwerten von Einzelstoffen gibt das Umweltbundesamt als Ergänzung ein Bewertungskonzept für die Summenkonzentration TVOC vor. Als langfristiges Ziel ist ein TVOC von kleiner 300 µg/m³ anzustreben, der auch als Zielwert für Sanierungsmaßnahmen gilt. Bei Konzentrationen von 300 bis 1000 µg/m³ besteht ein erhöhter Lüftungsbedarf. Bei längerfristigem Aufenthalt im Innenraum sollte ein TVOC-Wert von 1000 bis 3000 µg/m3 nicht überschritten werden.

Medizinische Empfehlungen bei Schimmelbefall im Innenraum

Wenn Schimmelpilze in der Wohnung wachsen, führt dies häufig zu Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern. Verbindliche Grenzwerte sucht der Jurist auch bei diesem Problem vergeblich. Der Schimmelleitfaden des Umweltbundesamtes (2002) gibt den Akteuren wichtige Handlungsempfehlungen in Hinblick auf Bewertung und Sanierung auf den Weg. Die Schimmelpilz-Leitlinie er "Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)" unter der Leitung von Prof. Wiesmüller empfiehlt, Schimmelbefall im "relevanten Ausmaß" unabhängig vom Krankheitsbild im Einzelfall nicht zu tolerieren. Die wichtigsten Maßnahmen seien die Ursachenklärung und sachgerechte Sanierung des Feuchteschadens. Für besonders zu schützende Risikogruppen besteht ein dringlicher Handlungsbedarf. Hierbei komme es nicht darauf an, welche Arten von Schimmel im Wohnraum anzutreffen sind.

Kontroverse Grenzwerte bei elektromagnetischen Feldern

Im Bereich von elektromagnetischen Feldern kann sich die Industrie auf den Gesetzgeber verlassen. Im Rahmen der 26. Bundesimmissionschutzverordnung liegen sowohl für niederfrequente als auch für hochfrequente Felder Grenzwerte für stationäre Anlagen vor. Unter dem Schutz dieser Grenzwerte konnte sich die Mobilfunktechnik in den letzten zwanzig Jahren zu einem Massenphänomen entwickeln. Die Grenzwerte orientieren sich daran, ob die auftreffenden Funkwellen eine Erwärmung des menschlichen Gewebes auslösen könnten. Kritiker der Grenzwertfestlegung führen ins Feld, dass die langfristigen Auswirkungen der Mobilfunkbefeldung nicht ausreichend erforscht sind. Zahlreiche internationale Forscher sehen es als erwiesen an, dass elektromagnetische Felder freie Radikale in den Zellen freisetzen können.

Weitere Links

AGÖF Orientierungswerte
IFA-Innenraumarbeitsplätze






 


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