Baubiologie und Oekologie

Gesundes Wohnen und Arbeiten


Bayreuth, 28.03.2024

 

2-Chlorpropan zunehmend in Innenräumen auffällig

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Das Stuttgarter Hochbauamt führt bei Neubauten und Renovierungen in Schulen und Kindertagesstätten routinemäßig Schadstoffmessungen in Innenräumen durch. Diese Vorsorgemaßnahme hat sich im Fall der Kindertagesstätte in Uhrlbach als Glücksgriff erwiesen. Festgestellt wurde bei der Laboranalyse der sehr leichtflüchtige Stoff (VVOC) 2-Chlorpropan. Vielleicht hätte man das Ergebnis bei der Stuttgarter Behörde dennoch nicht ernst genommen, wenn nicht in Schulen und Kindergärten in Bayern das 2-Chlorpropan bereits aufgefallen wäre. Daraufhin hatte die Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Innenraumkommission des Umweltbundesamtes reagiert und Richtwerte für das Reizgas empfohlen. Laut Protokoll der Sitzung vom 22./23. Oktober 2012 gilt als Richtwert-II 8mg/m3 und als Richtwert-I 0,8 mg/m3. Insider wissen, dass der Richtwert I als Vorsorgewert gilt, bei dem Maßnahmen ergriffen werden sollen. Die Ad-hoc-Kommission sieht bei ihrer Risikobewertung eine auf der ECHA-Webseite (ECHA=europäische Chemikalienagentur) veröffentlichte Studie als relevant an, da diese nach OECD Richtlinien durchgeführt wurde. Bisher wurde 2-Chlorpropan im Tierversuch zwar nicht spontan als gesundheitsschädlich erkannt, jedoch wurden nach einer Langzeitexposition mit 1.000 ppm bei verschiedenen Versuchstieren anhand von Gewebeproben Schädigungen an Leber, Lunge und Nieren festgestellt. Bekannt ist außerdem, dass die farblose Flüssigkeit mit chloroformartigem Geruch Haut und Augen reizen kann. In hohen Konzentrationen wirkt 2-Chlorpropan narkotisierend.

Wie kommt das "reizende" Gas in die Innenräume

Das Stuttgarter Hochbauamt hält sich noch bedeckt. Sicher ist nur, dass 2-Chlorpropan in den Gebäudeteilen aufgefallen ist, in denen neue Baustoffe in Zuge der Renovierungsmaßnahme eingebaut wurden. Für alle Baustoffe lagen im übrigen gültige Materialprüfzeugnisse vor. Im Fall des städtischen Kindergartens in Nürnberg-Boxdorf hatte man im Jahre 2011 den Verursacher ausgemacht. Als Bodendämmung hatte die ausführende Firma anstelle der ausgeschriebenen Holzfaserdämmplatten eine Phenolharz-Dämmplatte verwendet, da diese dünner ist und damit einen niedrigeren Bodenaufbau ermöglichte. Den Erzieherinnen war ein eigenartiger Geruch aufgefallen. Die Raumluftmessung ergab einen Wert von 1,7 Milligramm je Kubikmeter. Obwohl es 2011 noch keinen Richtwert gab, entschied sich das Hochbauamt Nürnberg für den Ausbau der Dämmplatten und führte vorsorglich auch in anderen sanierten öffentlichen Gebäuden Messungen durch. Im Ergebnis waren drei Schulen im Hinblick auf 2-Chlorpropan auffällig. Phenolharzdämmplatten werden mittlerweile von der Nürnberger Kommunalbehörde nicht mehr zugelassen.

"Verarbeitungsfehler", sagt der Hersteller

Die Herstellerfirma verkauft die Hartschaumplatten europaweit in großen Stückzahlen. Aufgrund der vorgelegten Prüfzeugnisse stellt sie die Unbedenklichkeit nicht in Frage. Liegt somit ein Verarbeitungsfehler vor? Der bestellte Sachverständige im Fall Kita Boxdorf sieht einen Zusammenhang durch die Verwendung von Gussasphalt. Dieser könnte die Dämmplatten beschädigt haben. Im Schulzentrum Untermenzing bei München wurden 2008 im Speisesaal ebenfalls phenolharzhaltige Dämmplatten verwendet. Aufgeschreckt durch die neuen Richtwerte kam es zu Messungen und auch zu Überschreitungen. Über die Art der Verarbeitung und des gesamten Bodenaufbaus wurden in der Pressemeldung vom 11.4.2013 keine Angaben gemacht.

Bauaufsichtliche Zulassung als Freibrief für die Unbedenklichkeit?

Das "Deutsche Institut für Bautechnik" prüft neue Baustoffe nach festgelegten Regeln und erteilt nach bestandener Prüfung die Freigabe eines Baustoffes. Dadurch gilt dieser als gesundheitlich unbedenklich und darf von ausschreibenden Stellen verwendet werden. Doch wie flexibel kann ein Prüfinstitut auf neue Erkenntnisse reagieren? Verlässt man sich zu lange auf bestehende Bewertungsrichtlinien? Werden Vorgaben der Ad-hoc Arbeitsgruppe schnellstmöglich eingearbeitet? Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, da permanent neue chemische Kombinationen in Baustoffe eingehen.

Fazit

Die ausschreibenden Stellen werden sich zukünftig nicht mehr alleine auf Zertifikate verlassen können. Das Studium der Sicherheitsdatenblätter ist unerlässlich. Zudem muss der ausführende Handwerker daraufhin kontrolliert werden, ob die ausgeschriebenen Baustoffe auch tatsächlich eingebaut wurden.

Weitere Informationen zum Thema 2-Chlorpropan

Kita Stuttgart
Schule Obermenzing
Fachvortrag zu 2-Chlorpropan
chemicalbook.com






 


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