Baubiologie und Oekologie

Gesundes Wohnen und Arbeiten


Bayreuth, 19.04.2024

 

Umgang mit Quecksilber in der Raumluft

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Gebäudekontaminationen mit Quecksilber verursachen in der Regel einen extrem hohen Sanierungsaufwand mit einer beträchtlichen Zeitdauer. Zwei Sanierungsfälle stellte Michael Köhler vom Bremer Umweltinstitut anlässlich der AGÖF-Tagung im Oktober 2019 vor, über die im folgenden Text noch zu berichten ist. Zum Glück erscheinen Unglücke mit Quecksilber eher selten auf der Agenda von Sachverständigen. Aber wenn ein derartiger Fall eintritt, sollten Umweltanalytiker gewappnet sein. Der Baubiologe Uwe Münzenberg hat deshalb mit zwei Kollegen eine deutschlandweit agierende Taskforce unter der Bezeichnung quecksilber-hilfe.de/ eingerichtet. Das Team arbeitet mit direkt anzeigenden Messgeräten zur schnellen Analyse vor Ort. "Nach Freisetzen von Quecksilber durch einen Unfall oder Verdacht auf eine Quecksilberquelle muss als erstes die tatsächliche Belastung festgestellt werden. Die funktioniert am schnellsten und preiswertesten mit direkt anzeigenden High-Tec-Gg-Messgeräten am Ort des Schadensfalls", lautet die Herangehensweise der Taskforce.

Wie kommt Quecksilber in die Raumluft?

Kleinere Unfälle mit Quecksilber sind im Haushalt nicht ungewöhnlich. Dies geschieht am ehesten, wenn quecksilberhaltige Thermometer oder Energiesparlampen zu Boden fallen und zerbrechen. Das flüssige Metall besitzt einen relativ hohen Dampfdruck und entweicht bei Zimmertemperatur in die Raumluft. Dann müssen die Betroffenen sofort lüften, denn die Dämpfe können zu Atemnot und Kopfschmerzen führen. Im Schadensfall wenden sich Privatleute am besten an den nächsten Apotheker. Dort erhalten sie ein spezielles Pulver (Mercurisorb), mit dem sich das Quecksilber binden und aufnehmen lässt. Quecksilber gilt ist Sondermüll. Im Hausmüll darf es deshalb auf keinen Fall entsorgt werden. Im gewerblichen Bereich kommt das gefährliche Schwermetall unter Umständen in alter Bausubstanz vor. So ein Fall könnte eintreten, wenn eine ehemalige Zahnarztpraxis zu Wohnungen umgebaut wird. In den verwendeten Zahnfüllungen aus Amalgan war reichlich Quecksilber enthalten, welches sowohl beim Anrühren des Amalgam-Materials, beim Setzen der Füllung als auch bei der Zahnsanierung in die Raumluft abgegeben wurde. Eine Raumluftuntersuchung wäre vor Beginn der Gebäudesanierung eine wichtige Vorsorgemaßnahme. Die Städte Nürnberg oder Fürth waren im 17. Jahrhundert Zentren der europäischen Spiegelherstellung. 264 Standorte von früheren Manufakturen fanden Fürther Archivare in alten Handbüchern. Für eine Jahresproduktion von einer halben Million Quadratmetern Spiegel wurden damals 60 bis 70 Tonnen Quecksilber benötigt. Aus geschichtlichen Aufschreibungen weiß man, dass die Spiegelhersteller mit dem giftigen Metall sehr sorglos umgingen. Zum Trocknen wurden die fertigen Spiegel hochkant gestellt, so dass überschüssiges Quecksilber ablaufen konnte und die Werkstätten von Dach bis zum Keller kontaminierten. Auch Industriebrachen wurden wiederholt Quecksilberfunde gemacht. Bundesweit bekannt wurden Bodenkontaminationen auf dem Grundstück einer ehemaligen Chemiefabrik in Marktredwitz. Sogar in Museen kann sich Quecksilber in der Raumluft ansammeln. Grund dafür sind Emissionen aus historischen Spiegeln. Dabei hängen die gemessenen Konzentrationen sehr von der Größe der Spiegelflächen und von der Größe des Raumes ab, und auch davon, wie häufig in den Ausstellungsräumen gelüftet wird.

Eigenschaften von Quecksilber und gesundheitliche Risiken

Hydragyrum lautet die lateinische Bezeichnung für Quecksilber; daraus leitet sich die chemische Bezeichnung "Hg" ab. Der deutsche Name könnte sich aus englischen "quick silver" stammen, was soviel wie lebendiges Silber bedeutet. Quecksilber kann mit vielen Metallen Legierungen bilden und es ist sehr reaktiv. Die Metall-Legierungen mit Quecksilber werden als Amalgame bezeichnet; am bekanntesten sind die gleichnamigen Zahnfüllungen. Das flüssige Schwermetall kann bei langanhaltender Raumluftbelastung das zentrale Nervensystem stören. Müdigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen sind auffällige Symptome. Im fortgeschrittenen Stadium wurden Bewegungsunfähigkeit und Lähmungserscheinungen berichtet. Für die Beurteilung der Raumluft wird ein Richtwert II von 350 Nanogramm je Kubikmeter Luft angesetzt. In diesem Fall ist von einer Quelle im Raum auszugehen. Wird der Richtwert I mit 35 ng/m³ unterschritten, dann gilt der Aufenthalt in den Räumen als unbedenklich. Die Konzentration der Außenluft schwankt zwischen 2 und 10 ng/m³. Dies hängt mit dem Industrialisierungsgrad bzw. dem Verkehrsaufkommen zusammen.

Probenahmenverfahren und Laborergebnisse

Das Bremer Umweltinstitut führte im oben geschilderten Sanierungsfall Luftproben und Materialproben durch. Zusätzlich wurden zur Quellensuche und zum Schnelltest direkt-anzeigende Messgeräte verwendet. Die Raumluft wurde nach dem BGIA-Verfahren 8530 (jetzt IfA-Verfahren) auf Glasröhrchen durchgeführt, die wiederum mit 500 mg Anasorb gefüllt waren. Bei einem Volumenstrom von 1,5 bis 2 Liter je Minute ergab sich eine aufgenommene Luftmenge von 1000 bis 1200 Litern. Die Laborergebnisse schwankten zwischen 470.000 ng/m³ im direkt kontaminierten Raum bis zu 230 ng/m³ in weiter entfernt gelegenen Räumen. Die direkt-anzeigenden Geräte lieferten recht zuverlässige Werte. Bei sechs vergleichbaren Messplätzen lag der "Online"-Wert stets über dem Wert der Langzeitmessung, teilweise über 100 Prozent. Somit besteht bei dem Vorort-Messverfahren nicht das Risiko der Unterbewertung. Zum Einsatz kam das Messgerät "Mercury Tracker 3000 IP" der Firma Mercury Instruments GmbH, die seit Februar 2020 in ENVEA GmbH unbenannt wurde. Raumluftproben können je nach Jahreszeit starke Schwankungen aufweisen. So berichtete Michael Köhler anlässlich der AGÖF-Tagung 2019 von einer sechsfach höheren Konzentration im Sommer als in der kalten Jahreszeit. Entscheidend sind bei dieser Betrachtung aber weniger die jeweiligen Raumtemperaturen, sondern die Oberflächentemperaturen der Umgrenzungsflächen. Unbeachtet der jahreszeitlichen Schwankungen können quecksilberbedingte Raumluftbelastungen lange andauern und permanente Reduktionsmaßnahmen erfordern, bis der Richtwert I als Sanierungsziel erreicht ist. Die detaillierte Schilderung des Sanierungsfalls im AGÖF-Kongressreader sei jedem Bausachverständigen empfohlen.

Weitere Informationen

www.agoef.de/publikationen/kongressreader-agoef.html
mercury-instruments.com
quecksilber-hilfe.de
www.bcp.fu-berlin.de/chemie/chemie/sicherheit/entsorgung/einzelchemikalien/quecksilber_zu_hause/quecksilber080.html
onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/ange.201302742
www.spiegel.de/spiegel/print/d-13681861.html
www.arguk.de/leistung/innenraum/documents/Quecksilber-in-der-Raumluft_Studienreihe-Teil-2.pdf





 


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