Baubiologie und Oekologie

Gesundes Wohnen und Arbeiten


Bayreuth, 25.04.2024

 

Starke Geruchsbildung nach dem Abschleifen

Share on Facebook Share on Twitter
Eine junge Familie in Thüringen renovierte voller Tatendrang ein Haus aus den sechziger Jahren. Die Fußbodendielen im ersten Stockwerk wollte man gerne erhalten und begann mit dem Abschleifen der obersten Schicht. Doch nun setzte die Ernüchterung bei Familie M. ein. Während den Arbeiten begann es fürchterlich zu stinken. Zudem sorgte sich Frau M. um die Gesundheit ihres Kindes. Ein Baubiologe sollte den Vorgang untersuchen, um anschließend den Grund für die Geruchsbelästigung zu finden. Der Sachverständige beprobte die Raumluft mit dem TENAX-Verfahren (2 Liter Luft bei einem Volumenstrom von 100 Milliliter je Minute). Vorsorglich entnahm er noch eine Materialprobe aus dem Bodenbelag.

Ãœberraschendes Laborergebnis

Zur Verwunderung der Beteiligten erbrachte die Raumluftprobe keinen hinreichenden Nachweis auf die Geruchsbildung. Der Verdacht in Richtung Naphatalin wurde durch die TENAX-Analyse nicht bestätigt. Die anschließende Materialuntersuchung sorgte aber für Klarheit. Es wurden auffällige Werte für Kresol gefunden. Kresole sind nicht nur geruchlich auffällig, sondern gelten auch als krebserregend und stehen in Verdacht, den Hormonhaushalt von Lebewesen zu stören. Entsprechend streng werden sie bewertet. Der Richtwert II der Innraumkommission liegt bei 5 Mikrogramm je 1 Kubikmeter Luft.

Vielseitige Anwendungsgebiete für Kresole

Kresole werden oft im Zusammenhang mit Phenolen erwähnt. Beide Chemikalien wirken fungizid (pilztötend) und bakterizid (bakterientötend) und werden vorwiegend in Desinfektionsmitteln oder zur Konservierung von Leim oder Klebstoffen eingesetzt. In Bodenbelagsklebern waren Kresole und Phenole bei Produkten in den fünfziger und sechziger Jahren und besonders in den alten Bundesländern enthalten. Auch mit Phenolharz gebundene Spanplatten können in Innenräumen für eine Geruchsbelästigung sorgen. Im Bereich des Arbeitsschutzes sind die Chemikalien ebenfalls gefürchtet. Beim Auftreffen auf die Haut wirken sie ätzend. Selbst die Benetzung von kleinen Hautflächen kann zu schweren Gesundheitsschäden führen, warnt die Berufsgenossenschaft.

Chemische Eigenschaften von Kresolen und Phenolen

Kresole gelten als mittel- bis schwerflüchtig. Sie können deshalb über einen längeren Zeitraum in die Raumluft ausgasen. Chemisch betrachtet gehören Kresole zur Gruppe der aromatischen Verbindungen. Sie leiten sich sowohl von Methylphenolen als auch von Hxdroxydtoluolen ab. Die Siedepunkte von o-, m- und p-Kresol liegen zwischen 191 und 203 Grad Celsius. Kresole zeigen sich als farblose oder gelbliche Flüssigkeit bzw. als Kristalle im festen Zustand. Die Chemikalie verbreitet einen stechenden teerartigen Geruch. Industriell wird sie bei einer Temperatur von etwa 250 Grad Celsius und einem Druck von 300 bar durch eine Reaktion von Chlortoluol mit Natronlauge erzeugt.

Sanierungsempfehlung trotz Unterschreitung des Richtwertes II

In einer Schule in Nordrhein-Westfalen wurde ebenfalls Phenol und Kresol als Ursache für einen penetranten Geruch ausgemacht. Der Laborwert für Kresol lag mit 1,6 Mikrogramm je Kubikmeter Raumluft unter dem Richtwert II. Dennoch entschloss sich die Bauverwaltung zusammen mit der Schulleitung, den Bodenbelag zu entfernen, um der Geruchsbelästigung zu entkommen. Oft liegt das Problem jahrzehntelang im Fußboden verborgen. Erst wenn aufgrund von Renovierungs- oder Sanierungsarbeiten die oberste Schicht entfernt wird, treten die Chemikalien in der Raumluft deutlich hervor. Im Fall der oben genannten Schule musste auch der Estrich entfernt werden. Durch Sekundärkontamination hatte das Material zuviel von dem Geruch aufgenommen.

Weitere Informationen

www.alab-berlin.de/schadstoffe/voc-fluechtige-organische-verbindungen/phenole-und-kresole-voc/
de.wikipedia.org/wiki/Kresole
publikationen.dguv.de/regelwerk/informationen/664/phenol-kresole-und-xylenole-merkblatt-m-018-der-reihe-gefahrstoffe
www.wz.de/nrw/rhein-kreis-neuss/neuss/grundschule-mit-phenol-belastet_aid-27400311





 


Teilen auf Social Media