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Bayreuth, 25.04.2024

 

Neue WHO-Leitlinien für Umgebungslärm

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Ende 2018 verabschiedete das WHO-Regionalbüro für Europa wichtige Leitlinien zum Umgang mit Umgebungslärm. Erstmals wird in die Definition von Umgebungslärm auch der Lärm von Windkraftanlagen sowie der Freizeitlärm mit einbezogen. Bekannte Lärmauslöser wie der Straßenverkehr, die Eisenbahn und der Flugverkehr sind wie bisher in der Gruppe "Verkehrslärm" zusammengeführt. Die Leitlinien sollen nationalen Institutionen helfen, Gemeinden zu informieren und einzubeziehen, die möglicherweise von einer Änderung der Lärmbelastung betroffen sind. Die WHO möchte bei der Planung neuer kommunaler Infrastrukturmaßnahmen, wie Verkehrssysteme, der Ansiedlung von Gewerbebetrieben oder der Einrichtung von Windkraftanlagen die Interessen von Planern, Umweltfachleuten und Experten des öffentlichen Gesundheitswesens mit politischen Entscheidungsträgern und Bürgern in Einklang bringen. Mögliche gesundheitliche Auswirkungen von Umgebungslärm sollten im Rahmen von Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen berücksichtigt werden. Der Lärm am Arbeitsplatz ist jedoch nicht Bestandteil dieser Ausführungen.

Wichtige Neuerungen gegenüber früheren Leitlinien

In der Forschung wird Lärm zunehmend als Ursache für diverse gesundheitliche Risiken erkannt. Dazu zählen in erster Linie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch Diabetes, Fettleibigkeit und psychisches Wohlbefinden. Der Gesundheitsschutz rückt somit stärker in das Blickfeld. Daraus abzuleiten sind verstärkte politische Maßnahmen zum Lärmschutz. Die aktuellen Richtlinien sind quellenspezifisch aufgebaut, d.h. die Lärmbelastung wird für Verkehrslärm, Windkraftanlagen oder Freizeitlärm unterschiedlich bewertet. Man verzichtet auf eine Lärmbewertung im Innenraum, da durch das unterschiedliche Dämmmaß von Bauteilen keine einheitlichen Vorgaben möglich sind. Die Leitlinien enthalten je nach Lärmquelle Empfehlungswerte für den Tag (Day), für den Abend (Evening) oder für die Nacht (Night). So gilt beispielsweise im Falle von Windkraftanlagen ein 24-Stunden-Wert (L den = day, evening, night) als Vorgabe. Konkret werden nur Mittelwerte angegeben. In Bezug auf Spitzenwerte, Einzelereignisse oder Impulslärmexpositionen sieht die WHO-Kommission die Gesetzgeber in den Mitgliedsländern in der Verpflichtung, entsprechende Vorgaben zu veranlassen.

Unterscheidung in "starke Empfehlung" oder "bedingte Empfehlung"

Für einzelne Lärmereignisse liegen ausreichende Kenntnisse vor, um eine „starke Empfehlung“ abzugeben. Diese Vorgaben der Kommission könnten von den einzelnen Ländern direkt übernommen werden. Dies trifft zu, wenn beispielsweise umfangreiche Forschungsarbeiten in einem Fachbereich vorliegen und eindeutige Zusammenhänge zwischen Lärm und gesundheitlichen Beschwerden aufzeigen. So spricht die WHO-Kommission für Bahnlärm die starke Empfehlung aus, einen Tagesmittelwert von 54 dB und einen Nachtmittelwert von 44 dB einzuhalten. Hingegen wird für die Lärmquelle "Windkraftanlagen" nur die bedingte Empfehlung für einen 24-Stunden-Mittelwert von 45 dB Lden ausgesprochen. Im Fall von Windanlagen sind Berichte von gesundheitlichen Störungen bekannt, aber die Studienlage sei nicht ausreichend, um eine starke Empfehlung auszusprechen. Andererseits erfordert eine bedingte Empfehlung einen politischen Entscheidungsprozess in den einzelnen Ländern und eine umfassende Debatte unter Einbeziehung von verschiedenen Interessensgruppen.

Die Summe des Freizeitlärm soll einen Mittelwert von 70 dB nicht überschreiten

Diese bedingte Vorgabe der WHO-Kommission trägt der zunehmenden "Verlärmung" in den Innenstädten Rechnung. Alle Freizeitaktivitäten zusammen sollen einen Mittelwert von 70 dB nicht überschreiten. Für Einzelereignis- und Impulslärmexpositionen empfiehlt die Kommission Vorsorgemaßnahmen, um das Risiko eines Anstiegs der Hörbeeinträchtigung durch Freizeitlärm bei Kindern und Erwachsenen zu begrenzen. Ferner verweist die WHO auf die Risiken von Schwerhörigkeit durch Verwendung von persönlichen Abhörgeräten hin, die unter anderem direkt im Ohr getragen werden.

Bewertung der Leitlinien

Die WHO will mit ihren Leitlinien deutlich machen, dass Umgebungslärm zu den wichtigsten Umweltrisiken für die körperliche und geistige Gesundheit und das Wohlbefinden zählt. Dies sei in Europa mit einer erheblichen Krankheitslast verbunden. Die negativen Auswirkungen von Lärm sollten ein wachsendes Anliegen von politischen Entscheidungsträgern in allen Mitgliedsländern darstellen. Neben den klassischen Lärmquellen aus dem Bereich Straßen-, Bahn- und Fluglärm bezieht die WHO nun auch den Lärm von Windkraftanlagen und Freizeitlärm in ihre Vorgabewerte ein. Allerdings wird die alleinige Betrachtung von Mittelwerten bei der Lärmermittlung bei den Betroffenen für Unzufriedenheit sorgen. Einzelne laute Ereignisse, wie das Rattern eines Güterzuges, gehen bei der Mittelwertbetrachtung möglicherweise unter. Hingegen macht die Mittelwertbetrachtung an einer Windenergieanlage eher Sinn. Die Bewertung von tieffrequenten Geräuschen wird von der WHO-Kommission bei ihren Lärmschutzüberlegungen in keiner Weise berücksichtigt.

Weitere Informationen

www.euro.who.int/de/media-centre/sections/press-releases/2018/press-information-note-on-the-launch-of-the-who-environmental-noise-guidelines-for-the-european-region
www.dega-akustik.de/fileadmin/dega-akustik.de/publikationen/akustik-journal/19-02/akustik_journal_2019_02_online_artikel1.pdf
idw-online.de/de/news730488





 


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