Baubiologie und Oekologie

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Bayreuth, 20.04.2024

 

Kritikpunkte an der Fassadendämmung aus Polystyrol bleiben aktuell

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Ein hohes Brandrisiko, Spechtlöcher in der Wand, Biozide im Außenputz und die Entsorgungsproblematik sind die Hauptkritikpunkte von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) aus Polystyrol. Im Jahr 2011 hatte der Autor Güven Purtul die Probleme in einem Beitrag für den NDR eindringlich aufgezeigt. So heftig, dass er sogar eine Abmahnung von einem Medienanwalt der Dämmstoffindustrie bekam. Nach vier Jahren zieht der Journalist nun Bilanz. Was hat sich hinsichtlich Brandschutz, Abfallwirtschaft und Trinkwasserschutz getan?

Einbau weiterer Brandriegel

Fassaden aus Polystyrol gelten baurechtlich als schwer entflammbar. Dies mag zutreffen, wenn man die Fassade direkt mit einem Feuerzeug anzünden will. Bei großer Hitzeeinwirkung durch Sekundärbrände gilt dieses Argument nicht mehr. Güven Purtul zeigt dies an zwei Beispielen: Ein Carport brennt und das Feuer schlägt auf die Fassade über. Innerhalb von zehn Minuten klettern die Flammen bis zum Giebel empor und setzen das Dach in Brand. Die gleiche Wirkung erzeugte der Brand einer Mülltonne neben dem Haus. Von der Dämmfassade bleibt nach dem Brand nichts mehr übrig. Laut Purtul haben Feuerwehren 80 Brände dokumentiert, bei denen Polystyrolfassaden eine Rolle gespielt haben.
Die Bauministerkonferenz hat 2014 dem Brandrisiko teilweise Rechnung getragen: es werden weitere Brandriegel vorgeschrieben. Brandriegel sind Zwischenlagen in der Wärmedämmung durch nicht brennbares Material wie z.B. Mineralwolle. Die Brandriegel müssen nun zusätzlich im Sockelbereich und in der letzten Reihe unterhalb des Giebels eingebaut werden. Weitere Einzelheiten stehen im Merkblatt der Bauministerkonferenz (siehe Link unten DIBT-Newsletter). Die Vorschrift für den Einbau von Brandriegeln gilt nicht für Einfamilienhäuser und nicht für bestehende Fassadendämmungen.
Als weitere Maßnahme zum Brandschutz dient ein Merkblatt der Ministerkonferenz: Leicht brennbares Material muss im Abstand von mindestens drei Metern vom Haus abgestellt werden. Bei der Aufstellung von Müllcontainern oder Mülltonnen aus Kunststoff direkt am Gebäude soll eine geschlossene Einhausung aus nichtbrennbarem Material vorgesehen werden. Zudem ist die gesamte Fassade regelmäßig auf Beschädigungen zu überprüfen.

Polystyroldämmplatten ab 2016 Sondermüll?

Der Staatssekretär im Bundesumweltamt, Florian Pronold, bestätigte in einem Interview mit dem NDR, dass die Gewerbeverordnung im Jahr 2016 geändert werden soll. Wärmedämmverbundsysteme gelten nach ihrem Abbruch dann als Sondermüll. Auslöser ist unter anderem die chemische Substanz Hexabromcyclododekan (HBCD). Das Flammschutzmittel steht im Verdacht, die Fortpflanzung zu schädigen. Polystyroldämmplatten müssen zukünftig in Sondermüllverbrennungsanlagen entsorgt werden. Die Entsorgung ist kostenintensiv, weil Polystyrol einen hohen Brennwert hat und nur in kleinen Mengen untergemischt werden kann. Die Einstufung als Sondermüll erfordert außerdem eine Dokumentation über den Verbleib des Baustoffes.

Biozide aus Fassadenputz geraten in die Wasserkreisläufe

Dr. Michael Burkhardt von der Hochschule Rappertsvil/Schweiz erklärt die Vorgänge folgendermaßen: durch Feuchtetransport gelangen die eingelagerten Biozide an die Fassadenoberfläche. Dort sollen sie den Bewuchs von Algen und Schimmelpilzen verhindern. Nach Erkenntnis der Wissenschaftler schwemmt der Regen alle Biozide innerhalb von fünf Jahren aus. Der von Herstellerseite zugesagte Algenschutz ist ab diesem Zeitpunkt hinfällig. Über den Verbleib der Giftstoffe in den Wasserkreisläufen wissen offizielle Stellen nach Aussage des Umweltbundesamtes in Deutschland nichts. Florian Pronold sagte im NDR-Interview zu, zukünftig eine Gesamt-Dokumentation über die Menge der eingesetzten Stoffe und den Grad der Gewässerbelastung auf den Weg zu bringen. In einzelnen Gewässerproben wurde in der Havel bei Potsdam der Wirkstoff Terbutryn gefunden. Das Biozid ist bereits seit 2003 in der Landwirtschaft verboten. In Fassadenputzen darf das Algenmittel jedoch noch eingesetzt werden.

Ulrich Wickert wirbt für die Dämmstoffbranche

In einem TV-Spot "Dämmen-lohnt-sich" wirbt der Fernsehjournalist Ulrich Wickert für die Vorzüge von Fassadendämmungen. Der Film zeigt Bilder von glücklichen Familien, die behaglich wohnen, Energie sparen und für ihre Enkelkinder vorsorgen. Hoffentlich irrt der Medienprofi da nicht.

Mehr Informationen

Fernsehbeitrag "Die Wärmedämmerung"
Alternativen zur Polystyroldämmung
DIBT-Newsletter 3/2015
UBA-Merkblatt: Entscheidungshilfen zur Verringerung des Biozideinsatzes an Fassaden
Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.
Ulrich Wickert

Bildquelle: shutterstock 117464758






 


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