Baubiologie und Oekologie

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Bayreuth, 29.03.2024

 

Komplett neuer Ansatz für die DIN 45680

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Änderungen an bestehenden DIN-Normen interessieren normalerweise nur die Fachleute auf diesem Gebiet. Bei der DIN 45680 ist das anders, denn diese Norm regelt den Umgang mit tieffrequentem Schall. Unzählige Brummtonbetroffene in Deutschland hoffen auf ein Messverfahren, welches ihnen eine Handreichung gegenüber den Behörden gibt. Gerade unternimmt die Normierungsstelle in Berlin einen erneuten Anlauf, um die "45680" auf eine neue Bewertungsgrundlage zu stellen. Der Normentwurf kam am 22. Mai dieses Jahres heraus. Kommentare sind noch bis zum 22.9.2020 möglich und erwünscht. Deshalb sollten sich möglichst viele Brummtonbetroffene bei der Kommission melden, um ihr Interesse an einer Verabschiedung der erneuerten Norm zu signalisieren.

Forschungsergebnisse sorgen offensichtlich für ein Umdenken in der Normierungsstelle

Die große Anzahl von Betroffenen und eine neue Studienlage führten bei den Normierungsbehörden offensichtlich zu einem Umdenken. Besonders die dänische Studie von Møller und Pedersen aus dem Jahr 2004 hatte aufgezeigt, wie belästigend tieffrequente Geräusche auf Menschen wirken können. Auf die vorliegenden Ergebnisse bezogen sich dann diverse Folgestudien. Die Normierungsstelle der DIN hat diesen Sachverhalt offenbar richtig erkannt und berücksichtigt unterdessen, dass Menschen tiefe Töne unterschiedlich wahrnehmen. Eine Hör- bzw. eine Wahrnehmungsschwelle wird im Entwurf nicht mehr verwendet. Die Geräusche sollen umfassender beurteilt werden. Bisher konnten Behörden eine Belästigung von Betroffenen grundsätzlich ausschließen, wenn die Hörschwelle unterschritten war. Andererseits gehen die Fachleute davon aus, dass im tieffrequenten Bereich sehr hohe Schalldruckpegel vorliegen müssen, bevor Menschen entweder Geräusche hören oder über Pulsationen, Vibrationen oder Ohrendruck wahrnehmen. Ebenfalls berücksichtigt die Entwurfsfassung, dass in einzelnen Frequenzbereichen hohe Schallpegel auftreten können, in anderen wiederum nicht. Für diese Art von Auffälligkeiten sieht das Berechnungsverfahren Zuschläge auf den Basiswert vor; ebenso wie bei Pegelschwankungen im zeitlichen Verlauf.
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Ermitteln der Messreihen und der Korrekturfaktoren für Frequenzen von acht bis hundert Hertz

Die DIN 45680 bewertet tieffrequente Geräusche im Bereich der Terzbänder mit den nominalen Mittenfrequenzen von 8 bis 100 Hertz (Hz). Jeder gemessene Teilwert (Z-Wert) wird mit Hilfe von Korrekturfaktoren in die A-Bewertung übergeführt. Aus beiden Messreihen wird das "energetische" Mittel gebildet, der sogenannte "Leq". Die exakte Bezeichnung für die A-Bewertung lautet: Lp(8Hz-100Hz)Aeq. Anhand dieser Durchschnittsbewertung des A-Pegels über das gesamte tieffrequente Spektrum würden wohl eher niedrige Beurteilungswerte herauskommen. Zusätzlich kommen nun zwei Korrekturfaktoren ins Spiel. Zunächst wird der Zuschlag für die "spektrale Auffälligkeit" (Kf) beleuchtet, der sich etwas willkürlich anmutet: es wird die Differenz zwischen dem energetischen Mittelwert der Terzmittenfrequenzen und dem arithmetischen Mittel der energetisch gemittelten Terzwerte gebildet. Der maximale Korrekturfaktor ist auf 20 dB gegrenzt. Weiterhin kommt ein Zuschlag für "zeitliche Auffälligkeiten" (Kt) hinzu. Die Durchschnittswerte im Frequenzspektrum von 8 Hz bis 100 Hz werden im Zeitablauf betrachtet. Alle 5 Sekunden wird daraus der Taktmaximalpegel ermittelt. Aus den errechneten Maximalwerten wird das energetische Mittel gewonnen und als Kt-Zuschlag ermittelt. Der Zuschlag für zeitliche Auffälligkeiten ist auf 10 dB begrenzt. Wie bei der Messung nach TA-Lärm üblich, wird vom ermittelten Zwischenergebnis noch die Messunsicherheit von 3 dB abgezogen.

Geräuschbewertung anhand von Anhaltswerten

Das Normierungsgremium hat einen neuen Begriff für die Bewertung von tieffrequenten Geräuschen vorgeschlagen. Die Bezeichnung "Anhaltswert" soll zum Ausdruck bringen, dass es sich nicht um gesicherte Grenzwerte handelt, sondern um empfohlene Werte, die sich auf die bisherigen Erfahrungen bei der Beurteilung tieffrequenter Geräuschimmissionen in der Nachbarschaft von Anlagen stützen. Der Anhaltswert gilt nur für den Frequenzbereich zwischen 8 und 100 Hz. Bei Auffälligkeiten unterhalb von 8 Hertz wurden im Normentwurf noch keine Anhaltswerte vergeben, da es bei Pegeln in der Nähe der Hörschwelle bisher kaum belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die eine quantitative Einordnung der Belästigung gestatten. Ein weiterer Hinderungsgrund sind Schwächen in der Messtechnik, da bei Geräuschen unterhalb von acht Hertz noch große Schwankungen der Ergebnisse vorliegen.
Es werden folgende Anhaltswerte vorgeschlagen:
Tagsüber von 6 bis 22 Uhr: Mittelwert 35 dB(A); Maximalwert 45 dB(A)
Nachts von 22 bis 6 Uhr: Mittelwert 25 dB(A); Maximalwert 35 dB(A)

Zusätzliche Betrachtung des Frequenzbereichs von 1 Hz bis 20 Hz

Bei Verdacht auf geräuschbestimmende Anteile in den Terzbändern mit den nominalen Mittenfrequenzen kleiner acht Hertz sollte der Messbereich von 1 Hz bis 20 Hz ergänzend betrachtet werden. Mit dieser Zusatzbetrachtung begibt sich die Normierungskommission einerseits auf Neuland, anderseits wohl auch auf dünnes Eis. "Denn die auf diese Weise erfolgte Beurteilung ist vorläufig", stellt der DIN-Entwurf fest. "Ein belastbares Verfahren bedarf noch weiterer Untersuchungen und Erkenntnisse". Deshalb sieht der Normentwurf für den Infraschallbereich keine Anhaltswerte vor. Anders verläuft auch das Bewertungsverfahren. Bei dieser ergänzenden Betrachtung der Ergebnisse verwendet die Norm die G-Bewertung anstatt der A-Bewertung. Bei der G-Bewertung werden die tieffrequenten Geräuschpegel weniger stark abgewertet. Dazu eine Gegenüberstellung bei der Frequenz von 16 Hz: Korrekturwert bei A-Pegel: -56,7 dB; bei G-Pegel: +7,7 dB.

Die Behördenvertreter müssten sich umstellen

Sollte die Norm in Kraft treten, müssten sich insbesondere Mitarbeiter von Immissionschutzbehörden umstellen. Bisher konnten sie mit einem einfachen Messverfahren beurteilen, ob die DIN 45680 bei einem Lärmproblem Anwendung findet. Betrug die Differenz zwischen dem C-bewerteten und dem A-bewerteten Schallpegel weniger als 20 dB, konnten sie tieffrequenten Schall ausschließen. Diese sogenannte Vorerhebung würde nun ebenso entfallen wie die Heranziehung der Hörschwelle. Das Verfahren der "neuen" 45680 ist aufwändiger und erfordert eine hochwertige Messausrüstung. Zweifellos ein Vorteil für die professionellen Messtechniker.

Weitere Informationen

www.din.de/de/mitwirken/normenausschuesse/nals/entwuerfe/wdc-beuth:din21:321484067
www.baubiologie-regional.de/schallmessen.php





 


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