Baubiologie und Oekologie

Gesundes Wohnen und Arbeiten


Bayreuth, 19.04.2024

 

Der Tagungsband ersetzt nicht den Kongressbesuch

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Baubiologen bilden sich gerne und oft weiter. Wer die Schimmelpilztagung des VDB Ende Juni besucht hat, nimmt diesen Eindruck mit nach Hause. Gut dreihundert Teilnehmer tummelten sich in den Räumen und Fluren des Kongresshotels an der A3 bei Niedernhausen. Manchem Sachverständigen gelingt die Seminarteilnahme aus zeitlichen Gründen aber nicht immer. Lohnt es sich, in diesem Fall den Tagungsband zu bestellen und das Versäumte nachzulesen? Im Fall der Schimmeltagung trifft dies nur bedingt zu. Denn von den 18 angebotenen Vorträgen sind nur sieben im Band enthalten. Schade auch deshalb, weil am ersten Seminartag immer drei Vorträge gleichzeitig stattfanden.

Praxisvorführungen von ausstellenden Firmen

Schwerlich im Tagungsband abbilden lassen sich die Praxisvorführungen der teilnehmenden Firmen. Besonders beeindruckend die Staubabsaugungstechnik der Firma Deconta (siehe Foto oben links). Ursprünglich geplant für Asbestsanierungsarbeiten, lässt sich die Unterdruckkammer auch für stark staubende Tätigkeiten einsetzen. Projektleiter Christian Koller gab den Tipp, grundsätzlich die Türe des Arbeitsraumes durch eine selbstschließende Staubschutztüre zu ersetzen. Kernstück der Arbeitsschutzmaßnahme ist die elektronische Unterdruckhaltung. Computergesteuert lässt sich der Druck einstellen und am Display überwachen. Der integrierte Partikelzähler misst, ob der Filter möglicherweise undicht geworden ist. Ansonsten müsste der Anwender mit einem Laserpartikelzähler die ausströmende Luft stichpunktartig überwachen. Mit einem Handmanometer sollte der Luftdruck an neun Messpunkten im Raum überprüft werden. An einer aufgebauten Arbeitskabine demonstrierten die Mitarbeiter von Deconta, wie die Staubabsaugung in der Praxis abläuft.
Ebenfalls sehr praxisnah demonstrierte Richard Zinken von der Firma Corroventa, wie Bautrocknung fachgerecht ausgeführt wird. Bei der Unterdruckhaltung im Boden sollten genügend Bohrlöcher vorgesehen werden; Zinken empfiehlt eine Bohrung alle zwei Meter. Die Corroventa-Trockner sind mit Klimamessgeräten verbunden. Temperatur und Luftfeuchte über der Bodenplatte werden ständig am Display angezeigt. Ein Trocknungsziel von 14 Tagen hält Zinken mit seinen Trocknern für realistisch.
Last but not least führte Bernd Bornemann die Workshop-Teilnehmer in den Umgang mit Endoskopen zur Leckageortung ein. Eine besondere Bedeutung kommt bei den Endoskopen die Sondenführung zu. Das Material darf nicht zu starr oder zu weich sein, denn die Sondenführung soll stabil und dennoch biegsam erfolgen. Beim Videoskop VE 400 der Firma Wöhler genügt ein Bohrloch von 4 Millimetern zur Einführung der Sonde in den Hohlraum.

Bauforensik als neues Gebiet der Schadensforschung

Noch weitgehend unbekannt ist den meisten Sachverständigen das Thema Bauforensik. "Als Baubiologe musst du ebenso wie der Kriminalinspektor am Tatort vorgehen", beginnt Dirk Herberg seinen Vortrag. Mit dem bloßen Auge sind viele Kontaminationen oft nicht zu erkennen. Herberg arbeitet mit einer Speziallampe und wechselnden Aufsätzen; für jede Wellenlängen des Lichts ein spezieller Aufsatz. Das Lichtspektrum reicht von Ultraviolett (280 nm) bis Nah-Infrarot (900nm) Zusätzlich setzt Herberg verschieden-farbige Brillen ein. Sie sollen eine Blendung durch das sogenannte "Anregerlicht" vermeiden. Bauforensiker arbeiten im dunklen, denn das Tageslicht würde die speziell ausgesendeten fluoreszierenden Lichtwellen überlagern. Die Grundidee des Verfahrens liegt darin, dass bestimmte Proteine von Blut, Speichel, Urin, aber auch von Schimmelpilzen und lösemittelhaltigen Stoffen unterschiedliche Lichtwellen aussenden, die der Forensiker aufspüren will. Der Vortrag von Dirk Herberg ist im Tagungsband abgedruckt.

Einige weitere spannende Themen im Tagungsband

Wer den Kongress nicht besuchen konnte, findet dennoch einige spannende Themen im Tagungsband vor. Die immer wiederkehrende Frage nach der Schuldhaftigkeit bei Schimmel in der Wohnung behandelte Elmar Streyl in seinem Vortrag. Er ist Vorsitzender Richter am Landgericht in Krefeld. Richter Streyl rät jedem Mieter zur Vorsicht, wenn es darum geht, die Miete aufgrund von vermutetem Schimmelbefall zu kürzen. Denn in diesem Fall muss der Mieter beweisen, dass es an seinem Wohnverhalten nichts zu beanstanden gibt. Ein Heiz- und Lüftungsprotokoll könnte zur Beweissicherung dienen. Über das "normale" Lüftungsverhalten hinaus, besteht die Pflicht, bei besonders feuchteerzeugenden Tätigkeiten wie Kochen oder Wäsche-trocknen eine Sonderlüftung durchzuführen. Selbst ein offensichtlicher Baumangel geht nicht automatisch zu Lasten des Vermieters, wenn er den Mieter über den Sachverhalt aufgeklärt hat. Der juristische Vortrag lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: "vor Gericht kommt es immer auf den Einzelfall an …"
Drei Vorträge beschäftigten sich mit dem Holzschutz bzw. mit Holz zerstörenden Pilzen. Die Holzwirtin Angela Steinfurth beschreibt, welche Schimmelarten Holz besiedeln und im schlimmsten Fall zersetzen können. Die Bewertung dieser holzbesiedelnden Pilze und die Formulierung eines angemessenen Sanierungsziels sieht sie als eine komplexe Aufgabe für Spezialisten an.
Pia Haun machte als Holzsachverständige oft die Erfahrung, dass ein bei der Herstellung getrocknetes Holz auf dem Weg vom Lieferanten bis zum Einbau auf der Baustelle Schaden nehmen kann. Mangelnder Regenschutz beim Transport, falsche Lagerung auf der Baustelle oder Feuchteeintrag nach dem Einbau, z. B. durch mangelnden Regenschutz des verbauten Holzes. Der verantwortliche Bauleiter muss daher nach jedem Baufortschritt die Holzfeuchte mit einem geeigneten Messgerät überprüfen und gegebenenfalls den Einbau des Materials untersagen. Falls dennoch Feuchteschäden im Material aufgetreten sind, richtet sich die Sanierung nach der Funktion des Holzes im Bauwerk. Bei Vollholz dringt mikrobieller Befall nur wenig in die Tiefe ein; bei Holzwerkstoffen ist erfahrungsgemäß der gesamte Querschnitt betroffen.
Ähnlich wie Kollegin Pia Haun geht der Holzfachwirt Björn Dinger auf den Feuchteeintrag während der Bauphase ein. Sein Hauptaugenmerk liegt auf Schimmelproblemen im Dachstuhl und er beantwortet anhand von drei Fallbeispielen die Frage, ob im Einzelfall eine Trocknung möglich ist, ob der Dachstuhl rückgebaut werden muss.

Links

Programm der 23. Pilztagung des VDB
Lumatec Superlight Bauforensik
Allegra Geräte für die Bautrocknung
Corroventa Akademie Bautrocknung






 


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