Baubiologie und Oekologie

Gesundes Wohnen und Arbeiten


Bayreuth, 19.04.2024

 

Bürger wollen besseren Lärmschutz an der Autobahn

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Ein kleines Dorf im Landkreis Altdorf (Bayern) grenzt im Abstand von hundert Metern an die Autobahn A6, die von Heilbronn in Richtung Pilsen führt. Rund 25.000 Personenfahrzeuge rollen täglich über diese Strecke. Hundert Einwohner kämpfen schon seit mehr als zehn Jahren um Lärmschutzmaßnahmen, da der Luftschall und die Erschütterungen schwer erträglich sind. Bei ihren Treffen mit den Behörden erfahren die Menschen, dass der Schallschutz an Autobahnen gesetzlich nicht geregelt ist. Alle Maßnahmen der Autobahndirektion würden auf Freiwilligkeit beruhen.

Informationen im Lärmaktionsplan

Die Stadt Altdorf erstellte im Jahr 2016 eine Lärmaktionsplan bezüglich der von den Bundesautobahnen A3 und A9 ausgehenden Lärmemissionen. Grundlage dafür ist Paragraph 47d des Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), welcher wiederum auf die EG-Richtlinie 2002/49/EG zurückgreift. Demnach ist für Orte in der Nähe von Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von über 3 Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr ein Lärmaktionsplan aufzustellen. Eine problematische Lärmsituation wird angenommen, wenn fünfzig oder mehr Bewohner Lärmpegeln einer bestimmten Höhe ausgesetzt sind. Das bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) ist zuständig für die Berechnungen in Altdorf; Messungen sind im Rahmen der Lärmaktionsplanung nicht vorgesehen. Ermittelt wird ein 24-Stundenwert und ein 8-Stunden-Wert für die Nacht von 22 bis 6 Uhr. Für die Ausgestaltung der Lärmaktionspläne sind die Bezirksregierungen im Einvernehmen mit den Gemeinden zuständig. Eine Bürgerbeteiligung ist ausdrücklich vorgesehen.

Verwirrende Lärmvorgabewerte

Weder die EU noch die Bundesregierung legen Auslösewert für Lärmmaßnahmen fest. Die Verwaltungen berufen sich stattdessen auf eine Empfehlung des bayerischen Umweltministeriums. Zur Ermittlung und Beschreibung von Lärmschwerpunkten bzw. von Lärmbetroffenheit gelten folgende Auslösewerte: 67 dB(A) für den 24-Stundenwert und 57 dB(A) für den Nachtwert (L-Night). Werden die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV eingehalten, ist davon auszugehen, dass kein Lärmschwerpunkt im Sinne der Lärmaktionsplanung vorhanden ist.

Die Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen erfolgt hingegen nach den Vorgaben des nationalen Fachrechts, z.B. beim Neubau oder der wesentlichen Änderung von Straßen nach der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung oder bei einer Lärmsanierung nach den Vorgaben der Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes (VLärmSchR97). Je nach Art der Nutzung sind folgende Immissionsgrenzwerte festgelegt:
für Krankenhäuser, Schulen, Kurheime, Altenheime: tags: 57 dB(A), nachts: 47 dB(A)
für Wohngebiete, Kleinsiedlungsgebiete: tags: 59 dB(A), nachts: 49 dB(A)
für Mischgebiete, Kerngebiete und Dorfgebiete: tags: 64 dB(A), nachts: 54 dB(A)
für Gewerbegebiete: tags: 69 dB(A), nachts: 59 dB(A)

Eine Lärmsanierung an bestehenden Verkehrswegen erfolgt erst bei höheren Auslösewerte

Gemäß geltender Rechtslage besteht kein Rechtsanspruch auf eine Durchführung von Lärmsanierungsmaßnahmen an bestehenden Verkehrswegen durch den Baulastträger. Auf der Grundlage haushaltsrechtlicher Regelungen können jedoch im Rahmen der vorhandenen Mittel Zuwendungen für Lärmsanierungsmaßnahmen an vorhandenen Straßen gewährt werden, wenn die folgenden Immissionsgrenzwerte außen vor Wohn- und Aufenthaltsräumen überschritten werden:
Krankenhäuser, Kurheime, Altenheime, Wohn- und Kleinsiedlungsgebiete: tags: 67 dB(A), nachts: 57 dB(A)
Mischgebiete, Kerngebiete und Dorfgebiete: tags: 69 dB(A), nachts: 59 dB(A)
Gewerbegebiete: tags: 72 dB(A), nachts: 62 dB(A)

Die Berechnungen erfolgen nach den "Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen" (RLS-90). Die Autobahndirektionen und staatlichen Bauämter führen seit geraumer Zeit auf freiwilliger Basis ein Lärmsanierungsprogramm durch. Einzelheiten regelt die Richtlinie für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes (VLärmSchR97).

Viele Bürger wohnten schon im Ort bevor die Autobahn kam

Die Bewohner von Oberwellitzleithen ärgern sich über die Unterscheidung nach "bestehenden Verkehrswegen" und "neu gebauten oder wesentlich veränderten Verkehrswegen". Viele Betroffene lebten schon vor der Autobahn in der Ortschaft. Zudem hat der Verkehr durch die offenen Grenzen in Europa dramatisch zugenommen. Mittlerweile fahren 25.000 Fahrzeuge an den Häusern vorbei. In den Vorteil niedriger Auslösewerte würden die Anwohner erst kommen, wenn die A6 in dem betroffenen Abschnitt auf drei Spuren erweitert werden würde. So müssen sich die Einwohner mit freiwilligen Leistungen der Autobahndirektion begnügen. Und die Beamten betonen bei jedem Meeting, dass für alle geforderten Maßnahmen kein Rechtsanspruch bestehe.

Grundsätzliche Lärmschutzmaßnahmen gemäß Lärmaktionsplan

Prinzipiell bieten sich folgende Maßnahmen zur Minderung der Lärmbelastung an Straßen an:
• Reduzierung der Verkehrsstärke
• Lärmarme Fahrbahnbeläge
• Reduzierung der Geschwindigkeiten
• Tunnel- oder Troglösungen
• Lärmschutzwälle, Lärmschutzwände oder Kombinationen davon
• Vorgelagerte, nicht schutzwürdige Bebauung
• Schließung von Bebauungslücken
• Festlegungen im Rahmen der Bauleitplanung (lärmorientierte Bebauung etc.)
• Passiver Schallschutz (Lärmschutzfenster)
• Maßnahmen an den Fahrzeugen

In Gesprächen zwischen der Kommune und Vertretern der Autobahndirektion zeichnet sich folgende Lösung für den Teilabschnitt an der A6 ab: Erstellung von Betongleitwänden und Bezuschussung von passiven Schallschutzmaßnahmen. Ab 2019 soll Flüsterasphalt aufgebracht werden. Von einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf dem Teilabschnitt wollen die Beamten aber nichts wissen. Eine Vorgabe aus der Straßenverkehrsordnung sei an dieser Stelle nicht gegeben, so die Autobahndirektion.

Mehr Informationen

www.regierung.mittelfranken.bayern.de/aufg_abt/abt8/lap/LAP_Altdorf_Januar16.pdf Lärmaktionsplan Altdorf
www.csu-altdorf.de/akzente/Akzente_2016_2.pdf Zeitung des CSU Ortverbandes S. 10
www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/StB/laermschutz.html Lärmvorsorge und Lärmsanierung an Bundesfernstraßen
www.vcd.org/themen/verkehrslaerm/rechtlicher-anspruch-auf-laermschutz/

Bildquelle: aus Lärmaktionsplan Stadt Altdorf / Fachdaten LfU







 


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