Baubiologie und Oekologie

Gesundes Wohnen und Arbeiten


Bayreuth, 20.04.2024

 

UBA-Leitfaden definiert Schimmel neu

Share on Facebook Share on Twitter
Der neue Leitfaden des Umweltbundesamt (UBA) bezeichnet Schimmel als Wachstum aller Mikroorganismen bei Feuchteschäden. Das UBA-Team hat den Begriff somit erweitert: zur Gruppe "Schimmel" gehören jetzt Schimmelpilze, Bakterien, Hefen, Milben und Protozoen. Der aktuelle Leitfaden führt die Leitfäden aus den Jahren 2002 und 2005 zu einem Gesamtwerk zusammen. Verantwortlich ist die Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamtes unter Hinzuziehung externer Sachverständiger. Bis zum 30. Juni 2016 waren Einsprüche und Anregungen möglich. Eine endgültige Fassung ist daher in den nächsten Monaten zu erwarten.

Ziele und Zielgruppen des Schimmelleitfadens

"Der Leitfaden soll bundesweit möglichst einheitliche Empfehlungen und Herangehensweisen schaffen", so die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, im Vorwort zu 20. Pilztagung. Zielgruppe sind Sachverständige, mikrobiologische Labore, Handwerker und Sanierer. Im Prinzip somit alle Akteure, die Schimmel erkennen, bewerten und sanieren sollen. Auch Behörden und Wohnungsbauunternehmen können profitieren. Die Zielgruppe ist so weit gefasst, dass auch private Eigentümer oder Mieter wertvolle Hinweise bekommen. Für Spezialisten bietet der Leitfaden in den Text integrierte Links zu Fachliteratur oder zu Empfehlungen anderer Fachverbände.

Welchen Nutzen bietet der Leitfaden?

Mit dem Prädikat "empfehlenswert" versehen, ist der Leitfaden für Baubiologen eine Pflichtlektüre. Selten findet man das Thema Schimmel so kompakt aufbereitet wie in der über hundert Seiten starken Ausarbeitung des Umweltbundesamtes. Dem langjährigen Sachverständigen mag der eine oder andere Punkt trivial erscheinen. In Sinne eines stimmigen Gesamtkonzepts dürfen die Ausführungen aber nicht fehlen. Die Verfasser des Leitfadens nehmen nicht in Anspruch, jeden Punkt detailliert zu beschreiben. Für den Profi ist der Leitfaden dennoch ein wichtiges Nachschlagewerk und für den Laien eine verständliche Einführung in das Thema.

Der Leitfaden gliedert sich in sechs Schwerpunkthemen

Kapitel 1 gibt grundsätzliche Erläuterungen und Begriffserklärungen

Interessant ist der prozentuale Vergleich der Mikroorganismen bei einem Schadensfall: in 561 Proben waren 96% Schimmelpilze anzutreffen und 83% Bakterien. Bei 50 weiteren Proben gab es zusätzlich 72% Milben und in 124 Proben einer anderen Versuchsreihe entdeckten die Prüfer Protozoen mit einem Anteil von 22%. Am häufigsten bei Schimmelbefall werden jedoch Schimmelpilze und Aktinobakterien nachgewiesen, die beide durch die Bildung von Sporen zu einer Innenraumbelastung beitragen können. Daher liegt der Fokus im Leitfaden auf diesen beiden Mikroorganismen-Gruppen. Einen breiten Raum nehmen in Kapitel 1 die Wachstumsbedingungen von Schimmelpilzen und Bakterien ein. Sogenannte Isoplethen stellen grafisch dar, wie schnell Schimmelmyzele bei bestimmten Feuchte- und Temperaturkonstellationen wachsen können.

Kapitel 2 erörtert das Thema "Wirkungen von Schimmel auf die Gesundheit des Menschen"

Der Leitfaden verdeutlicht, wie schwierig eine Eins-zu-Eins-Beziehung zwischen Schimmelvorkommen und Krankheitsbildern herzustellen ist. Routinemäßige Allergietests sind bislang nur für 18 Schimmelpilzarten vorhanden, wobei manche Tests nur typische Außenluftarten erfassen und für Innenraumbelastungen keine Hilfe darstellen. Trotz aller Zurückhaltung bei gesundheitlichen Festlegungen, listet der Leitfaden einige typische Symptome auf, die bei Schimmelschäden auffällig sind: Verschlimmerung und Verstärkung der Symptome eines bestehende Asthmas, Symptome der oberen Atemwegen, Husten, keuchende Atemgeräusche, Entwicklung einer Asthmaerkrankung, Atemnot und Atemwegsinfektionen. Als unspezifische Symptome werden genannt: Reizungen der Augenbindehaut, Hals- und Nasenschleimhautreizungen sowie Husten, Kopfschmerzen und Müdigkeit.

Kapitel 3 zeigt "Ursachen für Schimmelwachstum in Gebäuden" auf

Bauliche, nutzungsbedingte und sonstige Einflussgrößen werden gründlich durchleuchtet. Eine Grafik erklärt den Zusammenhang zwischen Oberflächentemperatur und der Oberflächenfeuchte in Abhängigkeit von raumluftklimatischen Bedingungen. Der Baufachmann findet eine systematische Auflistung der weiterer Einflussgrößen: Wärmedämmung, Wärmebrücken, Heizen, Lüften, der Einfluss von Möblierung, Produktion von Wasserdampf in einem 4-Personen-Haushalt und verschiedene Ursachen für einen Feuchteeintrag im Gebäude. Auf zwei Seiten zeigen die Autoren auf, wie eine Innendämmung fachgerecht auszuführen ist.

Kapitel 4 thematisiert "Vorbeugende Maßnahmen gegen Schimmelbefall"

Wer Schimmelbefall wirksam vorbeugen will, muss alles tun, um erhöhte Feuchtigkeit zu vermeiden. Der Prozess beginnt schon beim Neubau eines Hauses. Dieser sollte technisch korrekt ausgeführt sein, d.h. optimal gedämmt ohne Wärmebrücken und ohne aufsteigende Feuchtigkeit. Beim Ausbau sollten alle Materialen trocken lagern und bei Gewerken mit hohem Feuchteanteil wie Estrich und Putz ist auf ausreichende Trocknungszeit zu achten. Bestehende Gebäude sollen auf Undichtigkeiten geprüft werden, z.B. Dach, Rohre, Dehnungsfugen in Nassräumen.
Der Wohnungsnutzer richtet sein Hauptaugenmerk auf optimales Heizen und Lüften. Diesem wichtigen Sachverhalt widmet der Leitfaden zwölf Seiten inklusive der Vorstellung von Systemen zur automatischen Be- und Entlüftung und der Notwendigkeit von Wartungsarbeiten.

Kapitel 5 befasst sich mit dem Thema "Schimmelbefall erkennen, erfassen und bewerten"

Der Leitfaden schreibt wörtlich: "Bei Verdacht auf Vorliegen eines Schimmelbefalls werden die betroffenen Räume von Fachleuten mit bauphysikalischem und mikrobiologischem Sachverstand begangen, um die Ursachen der Feuchtigkeit und das Ausmaß des Schadens festzustellen."
Feuchteschäden sollen erkannt und von einem "normalen, unvermeidlichen" Hintergrund abgegrenzt werden. In dieser Phase stellt der Sachverständige auch fest, ob weitergehende Untersuchungen notwendig sind. Die Ergebnisse und Bewertungen fasst er in einem aussagefähigen Gutachten zusammen.
Der Leitfaden empfiehlt, das gesundheitliche Risiko nur von einem Arzt abschätzen zu lassen und verweist dabei auf AWMF-Leitlinie 161-001: Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelexposition in Innenräumen www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/161-001l_S2k_Schimmelpilzexposition-Innenraeume_2016-04.pdf
Kapitel 5 ist das umfangreichste des Leitfadens. Es beschreibt ausführlich die Probenahmestrategien, Bewertungsmöglichkeiten, Inhalte des Gutachtens, Qualitätsanforderungen an Sachverständige, Analytiklabore und Schimmelhundführer.

Kapitel 6 erläutert "Maßnahmen im Schadensfall"

Der Leitfaden unterscheidet zwischen einem Schadensfall, den der Raumnutzer selbst beseitigen könnte und Schadensfällen, die einer Fachfirma vorbehalten bleiben. Allen Akteuren legt der Leitfaden ans Herz, geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Bei allen Sanierungsmaßnahmen sollte "trockenes Arbeiten" unterbleiben, um die Verteilung von Schimmelsporen mit dem Staub und über die Luft so gering wie möglich zu halten. Feuchtes Reinigen ist daher immer dem trockenen Saugen vorzuziehen.
Kritisch geht der Leitfaden mit dem Biozideinsatz bei der Sanierung um: "Bei Sanierung von mikrobiellen Schäden ist eine Biozidbehandlung grundsätzlich nicht erwünscht". Ausnahmen sieht der Leitfaden in folgenden Fällen: Das Bauteil kann oder darf aus bestimmten Gründen nicht ausgetauscht werden oder die Feuchteursache kann nicht sofort beseitigt werden.
Der letzte Absatz von Kapitel 6 widmet sich den Maßnahmen nach der Sanierung, wobei eine Feinreinigung nach Abschluss aller Arbeiten nicht in allen Fällen erforderlich ist, zum Beispiel bei kleineren Schäden oder wenn ein Raum schon nach dem Rückbau gereinigt und dies durch unabhängige Messungen überprüft wurde. Dennoch geben die Verfasser konkrete Tipps zur Vorgehensweise bei der Reinigung, um abschließend auf die notwendige Freimessung der vormals kontaminierten Räume hinzuweisen.

Links

www.baubiologie-regional.de/download/entwurf-schimmelleitfaden2016.pdf






 


Teilen auf Social Media