Baubiologie und Oekologie

Gesundes Wohnen und Arbeiten


Bayreuth, 16.04.2024

 

Inflationäre Richtlinien, Zertifikate und Weiterbildungsangebote bei Schimmel

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Mittlerweile ist das Thema "Schimmel in Wohnungen" bei den Journalisten angekommen. Permanent jagen Pressemeldungen durch den Äther. Offensichtlich lässt sich mit Schimmel und Baufeuchte auch viel Geld verdienen: die Weiterbildungsangebote der Hersteller und Institute explodieren und neue Richtlinien verwirren mehr als sie nützen. Vor fast 20 Jahren war das noch anders. Damals bemühten sich Insider darum, Ordnung in die Methodik von Probenahme, Bewertung und Sanierung von Schimmelbesiedelung zu bringen. Der Baubiologe Uwe Münzenberg und andere Kollegen dachten erstmals über eine fachübergreifende Schimmelpilztagung nach und setzten diese dann auch in die Tat um. Im Jahr 2001 wurde der erste Schimmelpilzleitfaden vom Gesundheitsamt Baden-Württemberg herausgegeben. Das Umweltbundesamt schloss sich an und veröffentlichte seinerseits den "Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen". Einigen Interessenvertretern von Sanierungsfirmen und Bautenschützern waren die Ausführungen hinsichtlich Schimmelsanierung zu wenig konkret. Folglich gab es eigene Leitfäden. Produkthersteller kommen nun ebenfalls auf den Plan. Über Zertifikate, Richtlinien und Weiterbildungsmaßnahmen wird versucht, die Handwerker von der Wirksamkeit der eigenen Produkte und Methoden zu überzeugen. Nachfolgend ein Abriss von Leitfäden und Interessenvertretern.

Zielgruppe Arbeitsschutz und Sicherheit

BG-Bau = Berufsgenossenschaft des Baugewerbes

Von der BG-Bau wird die Handlungsanleitung BGI 818 bei "Gesundheitsgefährdungen durch biologische Arbeitsstoffe bei der Gebäudesanierung" herausgegeben. Die Biostoffverordnung (BioStoffV) ist in die Handlungsanleitung mit eingearbeitet. Wichtigstes Merkmal der Arbeit ist die Einteilung in drei verschiedene Gefährdungsklassen. Davon sind technische Maßnahmen und die Art der persönlichen Schutzausrüstung abgeleitet. Die BG-Bau-Anleitung (Stand 2006) enthält das Muster einer Gefährdungsbeurteilung.
http://www.bgbau-medien.de/zh/bgi858/titel.htm

BAuA = Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Es wurden zwei wichtige Leitfäden veröffentlicht: In der TRBA 500 sind technische Regeln für biologische Arbeitsstoffe, speziell Mindestanforderungen für allgemeine Hygienemaßnahmen formuliert. Die TRGS 400 sind technische Regeln für Gefahrstoffe, insbesondere Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. Die TRGS 400 (zuletzt überarbeitet 2012) beschreibt Vorgehensweisen zur Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung nach § 6 GefStoffV . Sie bindet die Vorgaben der GefStoffV in den durch das Arbeitsschutzgesetz (§§ 5 und 6 ArbSchG) vorgegebenen Rahmen ein.
http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Biologische-Arbeitsstoffe/TRBA/TRBA-500_content.html
http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/TRGS-400_content.html
Wichtiger Hinweis: die TRGS und TRBA sind Ergänzungen und Präzisierungen der GefStoffV bzw. BioStoffV. Die Technischen Regeln haben damit Gesetzescharakter und sind nicht "nur" Leitfäden. Jeder der mit Schimmelpilzen zu tun hat muss diese also beachten.

DGUV = Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung

DGUV ist der Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallkassen. Er entstand am 1. Juni 2007 durch Zusammenlegung des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossen-schaften (HVBG) und des Bundesverbands der Unfallkassen (BUK). Die DGUV ist damit der gemeinsame Dachverband für die neun gewerblichen Berufsgenossenschaften und die siebenundzwanzig Unfallkassen. Berufsgenossenschaften und Unfallkassen versichern zusammen siebzig Millionen Menschen gegen die Folgen von Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und Berufskrankheiten. Die DGUV veröffentlichte 2013 als Neuauflage den 234-seitigen "Leitfaden Innenraumarbeitsplätze – Vorgehensempfehlung für die Ermittlungen zum Arbeitsumfeld". Der Abschnitt "Biologische Einwirkungen" beschäftigt sich mit der Schimmelproblematik am Arbeitsplatz.
http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/rep_ira.pdf

Verbände und sonstige Interessenvertreter

DHBV = Deutscher Holz- und Bautenschutzverband

Der DHBV ist ein Zusammenschluss von Fachleuten, die in der Bauwerkserhaltung, der Denkmalpflege und im Neubau tätig sind. Der Verband wurde im Jahr 1950 gegründet und vertritt seitdem bundesweit die im Holz- und Bautenschutz tätigen Berufsgruppen. Der Verein ist Mitglied in den Zentralverbänden des Deutschen Baugewerbes (ZDB) und des Deutschen Handwerks (ZDH) und ist in Normungsausschüssen und Gremien (DIN, WTA, GAEB) Vertreter der Branche. Die Kernaufgaben des Verbandes sind Fachinformationen, die Ausbildung des beruflichen Nachwuchses, die Weiterbildung von Fachkräften sowie die Qualifizierung der Mitglieder.
Der DHBV gibt das "Merkblatt zur fachgerechten Schimmelpilzbeseitigung in Innenräumen" heraus. Der Leitfaden kostet für Nichtmitglieder 25,00 EUR + MWSt. + Versand
http://www.dhbv.de/

BSS = Bundesverband Schimmelpilzsanierung

Die Mitglieder des Bundesverbandes Schimmelpilzsanierung e.V. beschäftigen sich nach eigenen Anga-ben professionell mit der Prävention, Begutachtung und Beseitigung von Schimmelpilzschäden in und an Gebäuden. Es wurde eine mehrstufige bundeseinheitliche Zertifizierung eingeführt, die Auftraggebern von Sanierungsmaßnahmen und beteiligten Behörden eine sichere Beurteilung der jeweiligen Sachkunde der Fachbetriebe ermöglicht. Das Ziel des Verbandes liegt ferner in der Information von Verbrauchern, Behörden und Fachbetrieben über die Gesundheitsrisiken mikrobieller Belastungen und über die optimale Behandlung bei Schimmelpilzbesiedelung. Der BSS gibt Leitfaden für die Prüfung von Schimmelpilzspürhunden heraus (Stand 2013).
http://www.bss-schimmelpilz.de

BVS = Bundesverband Sachverständige

Der Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e. V. (BVS) ist der Dachverband der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen in Deutschland. Der BVS ist in 12 Landesverbände und 13 Fachverbände untergliedert. Die Landesverbände bzw. die weiteren Fachverbände haben (2004) mehr als 4.800 Mitglieder aus etwa 200 verschiedenen Sachgebieten.
Vom Bundeverband unter Federführung der Schimmelpilzgruppe um Dr. Thomas Warscheid und Frank Deutschun kommt die "Richtlinie zum sachgerechten Umgang mit Schimmelpilzschäden in Innenräumen". Sie wurde 2010 erstmals in der Verbandszeitschrift "Der Sachverständige" veröffentlicht und liegt aktuell in der 2012er Fassung vor. Ergänzt wurde diese ebenfalls 2012 durch die wichtige Anlage 4 "Mikrobiologische Probenahme, Analyseverfahren und Bewertung".
www.bau-sv.net/fileadmin/Download/2012_02_BVS_Richlinie_Schimmelpilze.pdf

WTA = Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege

WTA ist eine internationale Vereinigung von Naturwissenschaftlern, Architekten und Denkmalpflegern. Der 1976 in München gegründete wissenschaftlich-technische Verein erarbeitet und verbreitet technische Regeln im Bereich der Bauinstandsetzung und der Denkmalpflege, welche nach allgemeiner Rechtsauslegung die Vermutung nahelegen, allgemein anerkannte Regeln der Technik zu sein Das Arbeitsgebiet der WTA untergliedert sich in 8 Aufgabengebiete, darunter die Gruppe 4 Mauerwerk / Bauwerksabdichtungen. Die Kernaufgabe der WTA ist es, in einem regulierten Verfahren die WTA-Merkblätter zu erarbeiten. Im Zusammenhang mit Schimmel ist das Merkblatt E-6-15 "Technische Trocknung von durchfeuchteten Bauteilen" zu nennen. http://www.wta.de

GDV = Gesamtverband deutscher Versicherungen

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit Sitz in Berlin ist die Dachorganisation der privaten Versicherungsunternehmen in Deutschland. Der GDV wurde 1948 in Köln gegründet. Dem Verband gehören 470 Mitgliedsunternehmen mit rund 216.000 Beschäftigten und Auszubildenden an. Infoblätter zur Schadensverhütung werden die VdS Schadenverhütung GmbH in Köln herausgegeben.
Für Aufsehen sorgte im Juni 2013 der Entwurf von "Richtlinien zur Schimmelpilzsanierung nach Leitungswasserschäden", veröffentlicht unter vds 3151. Der Leitfaden ist Bearbeitung, er steht zwischenzeitlich nicht mehr auf der vds-Webseite zur Verfügung.
http://vds.de

Sonstige Akteure im Bereich Schimmel

Der TÜV-Rheinland bietet das Zertifikat "Sachverständige für Feuchte- und Schimmelpilzbelastungen mit geprüfter Qualifikation" an. DEKRA bildet eine "zertifizierte Fachkraft für Schimmelpilzbeseitigung" aus. Produkthersteller wie z.B. Jati oder Redstone bieten ebenfalls Ausbildungen im Bereich Schimmel an. Der Baubiologe Edgar Gummerum hat das Qualtitätssiegel "Schimmelpilzsanierung nach D-MIR Standard" geschaffen. Dieses Verfahren verzichtet nach eigenen Angaben auf Fogging oder Ozonierung und setzt stattdessen auf den kontrollierten Luftaustausch in schimmelbelasteten Räumen.

Abschließender Hinweis: die Auflistung der verschiedenen Institutionen mag nicht vollständig sein. Ergänzende Informationen bitte ich an info@baubiologie-regional.de zu senden.

Nachtrag 20.2.14: Ergänzungen und Korrekturen von Herrn Dr. Rainer Bruns aus Papenburg wurden mittlerweile in den Text eingearbeitet.

Joachim Weise






 


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